Aktuelles
Aus den Landeskirchen >>>
Aus den Gemeinden >>>
Aus dem Reformierten Bund >>>
Kolumne >>>
from... - die reformierte App
Newsletter
Wir auf Facebook
Passa, Abendmahl und ein genialer Calvin
Notat to go - Barbara Schenck (2014)
Hat er zusammen mit seinen Jünger das Passamahl nach der Opferung der Lämmer im Tempel gefeiert und wurde am ersten Festtag gekreuzigt, so Markus. Oder starb Jesus gleichzeitig mit den Opferlämmern im Tempel, also vor dem Passamahl am Abend, so Johannes.
Sind Passa und Abendmahl miteinander verbunden, oder zeichnete sich schon früh der Trennungsstrich ab, den das Konzil von Nizäa 325 klar setzte, als es den Termin des Osterfestes vom jüdischen Pessach löste?
Die historisch-kritische Forschung hilft auch nicht weiter: einerseits betont wissenschaftliche Theologie die Verwurzelung Jesu und der ersten JüngerInnen im Judentum und sympathisiert mit einem Passamahl als letztes Abend-Mahl Jesu, andererseits erscheint eine Kreuzigung am ersten Festtag unwahrscheinlich.
Eine geniale Antwort gibt Johannes Calvin. Er ist sich sicher, dass Christus vor dem Sabbat am Rüsttag für das Passa-Fest hingerichtet wurde und zuvor das Passa feierte. Mit anderen Worten: Jesus hat das abendliche Passa-Mahl einen Tag vorgezogen, denn wenn das Passa auf einen Sabbat gefallen wäre, hätte letzterer den anderen Festtag verdrängt. Als ein Jude, der „genau“ dafür sorgte, „dass er auch nicht ein Tüpfelchen des Gesetzes abwich“, habe Jesus also, um dem „Befehl“ Gottes zur Feier des Passamahls zu folgen, es um einen Tag vorgezogen.
Theologisch klug, aber historisch abwegig? Der Talmud zumindest dokumentiert im Traktat Pessachim 66a: Im antiken Judentum musste die Frage geklärt werden, ob Pessach den Sabbat verdränge oder nicht.*
500 Jahre nach Calvin
Wer nun allerdings meint, wir ChristInnen sollten in der Karwoche und zu Ostern frohen Mutes aus der Pessach-Haggada mit ihren Symbolen und Erzählungen schöpfen, sei daran erinnert: Das Passamahl zur Zeit des Zweiten Tempels war noch kein Seder-Mahl, wie es das heutige Judentum feiert. Die Erzählung vom Exodus aus Ägypten wurde vermutlich erst nach der Zerstörung des Tempels fest mit der Pessach-Feier verbunden. Osterliturgie und Pessach-Haggada entwickelten sich in polemischer Abgrenzung zueinander als Feste zur Stärkung der je eigenen Identität zweier Geschwisterreligionen.
In den apokryphen Epistula Apolostorum gebietet Jesus seinen Jüngern beim Passa-Fest seinen Tod zu erinnern, und auch die Befreiung des Petrus aus dem Gefängnis wird auf Pessach datiert. Apostelgeschichte 12 wiederum erzählt Petrus‘ Befreiung in Anlehnung an Worte der Exoduserzählung (Ex 12,11): „steh schnell auf … gürte dich und zieh deine Schuhe an“.
Der Eröffnungsformel der Pessach-Haggada: „Dies ist das Brot der Armut, das unsere Väter im Land Ägypten aßen“, könnte in Abgrenzung zu den Einsetzungsworten beim christlichen Abendmahl gebildet sein.
Welche Formulierung im Einzelnen auch immer früher oder später zu datieren ist, zu keiner Zeit hat das christliche Osterfest das jüdische Pessach ersetzt. Beide entstanden allmählich aus gemeinsamen „Vorfahren“. Schmerzlich nur für uns ChristInnen, dass die Karwoche zu Verunglimpfungen und Ausschreitungen gegen Juden missbraucht wurde.
Das Gemeinsame heute? Eine Erzählung, „die mit ‚Schimpf‘ einsetzte und mit ‚Lob‘ endete“, so der Historiker Israel Yuval mit Worten aus der Pessach-Haggada.
In meiner Kindheit war der Gründonnerstag ein ganz besonderer Tag. Im Garten war schon Süßes versteckt. Für jedes Kind ein Schokoei.
Das Brauchtum zum „kleinen Ostern“ geht seinen eigenen Weg.
*Und noch heute ist es so, dass der jüdische „Hausherr“, der am Vorabend des 14. Nissan verpflichtet ist, das Haus nach Gesäuertem zu durchsuchen und seinen Fund am Morgen zu verbrennen, dies einen Tag früher tun muss, sollte der 14. Nissan ein Schabbat sein.
Literatur
Israel Yuval, Zwei Völker in deinem Leib. Gegenseitige Wahrnehmung von Juden und Christen in Spätantike und Mittelalter, Jüdische Religion, Geschichte und Kultur Bd. 4, hrsg. von Michael Brenner und Stefan Rohrbacher, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007.
Barbara Schenck, 16. April 2014