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'Wir müssen reden' - Peace Fiction: Putins Bekehrung
Predigt über 1. Samuel 24,1-20
„Wir müssen reden!“ ‑ Wenn sich Fronten bilden. Wenn sich Meinungen verhärten. Wenn dann noch Angst um Macht und Bedeutungsverlust hinzukommen. Wir müssen reden. Bevor es zu spät ist. Bevor man vor Wut und Angst nicht mehr sprechen kann. Bevor man Schlachtpläne ausbrütet und zu den Waffen greift. Wir müssen reden.
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Die, die die etablierten Parteien wählen, mit denen, die die AfD wählen. Doch es gelingt nicht. Mit euch reden wir nicht mehr, euch jagen wir. Sagen die von der AfD. Und die anderen wollen auch nicht mehr reden. Mit Nazis redet man nicht. Die bekämpft man.
Wir müssen reden. Aber es wird nicht mehr geredet. Wo man es dennoch versucht, scheitert man schnell. Jeder hat seine Wahrheiten, jeder hat seine Argumente, die haut man sich um die Ohren.
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Wir müssen mit Putin reden. Sagt Sara Wagenknecht. Und denken viele. Aber wollte Putin jemals reden? Wer zu den Waffen gegriffen hat, will nicht mehr reden. Putin wollte Krieg und keine Verhandlungen.
Dieser Krieg ist schrecklich. Aber er wird noch andauern und eher dadurch beendet werden, dass Putin vom Blitz getroffen oder einem wackeligen Ziegelstein erschlagen wird oder einen Herzinfarkt kriegt, als dass er einlenkt. Und Selenskyj wird auch nicht einlenkten. Wie kann die Ukraine, die eindeutig das Opfer der Aggression ist, einlenken?
Was in der Realität keinen Platz findet, könnte wenigstens in der Fantasie durchgespielt werden. Ich habe mir das Drehbuch für einen Agententhriller alla James Bond ausgedacht. Und das geht so:
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Selenskyj, von Hause aus Schauspieler, hat sich von seinem Geheimdienst im Schnellkurs zum Agenten ausbilden lassen. Ohne Bart und Camouflage und mit falschem Pass reist er nach Hanoi, wo gerade Putin Waffenbruderschaft mit Vietnam schmiedet. Selenskij schafft es irgendwie, in Hanoi unerkannt in das Hotel zu gelangen, in dem Putin übernachtet. An allen Sicherheitsleuten vorbei.
Die Suite wird allerdings nochmal von Putins eigenen Sicherheitsleute bewacht, da kommt er nicht vorbei. Er will sich verstecken. Er entdeckt eine unverschlossene Tür ganz in der Nähe der Suite, denkt, es sei eine Besenkammer. Doch es ist keine Besenkammer, es ist eine Toilette. Er lauscht an einer zweiten Tür der Toilette und erkennt dahinter Putins Stimme. Er wartet. Dann muss Putin aufs Klo. Selenskij versteckt sich hinterm Duschvorhang, zieht seine Pistole und … Cut! Schnitt!
Wenn’s am spannendsten ist… Jetzt schauen wir erstmal in die Bibel. Wir sind ja in der Kirche und nicht im Kino oder bei Netflix.
Ich lese aus dem 24. Kapitel des ersten Samuelbuches. Das ist eine Geschichte, die … ach nein: spoilern gilt nicht
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1 David verließ die Wüste Maon und hielt sich in unzugänglichen Bergverstecken bei En-Gedi auf. 2 Saul hatte inzwischen die Philister aus dem Land vertrieben. Als er zurückkam, wurde ihm gemeldet: »David ist jetzt in der Bergwüste bei En-Gedi.« 3 Da wählte Saul dreitausend der besten Soldaten Israels aus und machte sich auf die Suche nach David und seinen Männern.
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Ich muss an dieser Stelle doch schon unterbrechen, weil ich die Vorgeschichte in Erinnerung rufen muss.
Saul war der erste König in Israel. Er hatte vor allem die Aufgabe, das Land vor seinen Feinden, vor allem den Philistern, zu verteidigen. Saul hatte militärischen Erfolg, wurde aber mit der Zeit etwas depressiv. David kam als junger Mann an den Hof Sauls, wurde sein Waffenträger, also sein persönlicher Assistent und darüber hinaus sein Psychotherapeut. David machte Musik und das verschaffte dem schwermütigen Saul eine bessere Laune.
Dann aber wurde auch David in der Landesverteidigung eingesetzt und hatte offenbar viel größeren Erfolg als Saul. Seine Beliebtheitswerte beim Volk übertrafen schnell die Sauls. Saul war depressiv und wurde jetzt auch noch eifersüchtig, eine toxische Mischung.
Das passiert ja zuweilen in den oberen Etagen der Macht. Ein Ziehsohn übertrumpft seinen Mentor, hat besser Beliebtheitswerte und es kommt zum Machtkampf. Es gibt in solchen Fällen ein paar Dinge, die man machen kann, um einen Konkurrenten unter Kontrolle zu bringen. Heiratspolitik ist eines davon. Saul wollte David seine älteste Tochter zur Frau geben, doch der schlug das aus. Er sei nicht standesgemäß.
Dann aber musste er doch eine andere Tochter Sauls heiraten, Michal, denn die liebte David. Doch wenn Liebe im Spiel ist, klappt das mit der Heiratspolitik nicht mehr. Anstatt David zu kontrollieren, rettete Michal ihn vor einem Anschlag auf ihn, den Saul in Auftrag gegeben hatte. So weit war es also schon. Offene Feindschaft Sauls gegen David. Sauls Sohn Jonathan wurde Davids bester Freund. Wenn sich die ganze Familie gegen einen verschwört und mit dem Eindringling unter einer Decke steckt. Was bleibt einem dann noch übrig, als den Feind gnadenlos zu verfolgen und zu vernichten, wenn es darum geht, seine Macht zu erhalten?
David, einst Sauls Waffenträger, wird zum Hoffnungsträger für alle Benachteiligten und Verbitterten. Und Saul wird zum wütenden Tyrannen, der einen Haufen Priester nur dafür massakrieren lässt, weil sie David aufgenommen haben.
Saul und Putin – zwei Machthaber, die einmal hoffnungsvoll begonnen haben, aber dann irgendwie einen Verfolgungswahn entwickelt haben und um die es dann sehr einsam geworden ist. Und je einsamer, desto wahnsinniger agieren sie. Zurück zu Saul.
Saul verfolgt mit seinen Soldaten David und seine Rebellentruppe. Gerade gelang es Sauls Armee, Davids Truppe in der Wüste Maon zu umzingeln, da wurde Saul gemeldet, dass die Philister mal wieder eingefallen waren. Er musste die Verfolgung Davids abbrechen. Nachdem Saul sich um die Philister gekümmert hatte, nahm er die Verfolgung Davids in der Wüste bei En-Gedi wieder auf.
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Und nun kehren wir zum Bibeltext zurück.
Als sie in der Nähe des Steinbockfelsens 4 bei den eingezäunten Schafweiden an einer Höhle vorbeikamen, ging Saul hinein, um seine Notdurft zu verrichten. In der hintersten Ecke der Höhle hielten sich David und seine Männer versteckt. 5 Sie flüsterten ihm zu: »Jetzt ist der Tag gekommen, den der Herr dir angekündigt hat. ⸂Er hat dir doch versprochen:⸃ ›Ich gebe deinen Feind in deine Gewalt, und du kannst mit ihm machen, was du willst.‹« David schlich sich nach vorne und schnitt heimlich einen Zipfel von Sauls Mantel ab. 6 Hinterher jedoch bekam er ein schlechtes Gewissen, weil er das getan hatte. 7 Er sagte zu seinen Männern: »Ich schwöre beim Herrn, dass ich meinem König niemals etwas antun werde. Ich werde meine Hand nicht gegen ihn erheben, denn er ist der König, den der Herr erwählt hat!« 8 Mit diesen Worten wies er seine Männer in die Schranken und verbot ihnen, sich an Saul zu vergreifen.
Als Saul die Höhle wieder verließ, um seine Suche fortzusetzen, 9 trat David heraus und rief ihm nach: »Mein Herr und König!« Saul drehte sich um, und David fiel nieder und berührte mit seiner Stirn den Boden. 10 Er sagte: »Warum hörst du auf das Gerede der Leute, die behaupten, dass ich deinen Untergang will? 11 Heute kannst du mit eigenen Augen sehen, ⸂dass es nicht wahr ist⸃. Hier in der Höhle hat der Herr dich in meine Hand gegeben. Meine Männer haben mich gedrängt, dich umzubringen. Aber ich habe dich verschont. Ich sagte: ›Niemals werde ich meine Hand gegen meinen Gebieter erheben, denn er ist der König, den der Herr erwählt hat.‹ 12 Sieh doch, mein Vater, was ich hier in der Hand halte: einen Zipfel deines Mantels! Ich hätte dich töten können, aber ich habe nur dieses kleine Stück abgeschnitten. Daran kannst du erkennen, dass ich mich nicht gegen dich gewandt habe und dir nichts Böses antun will. Ich habe dir nichts getan, aber du jagst mir nach und willst mich töten. 13 Der Herr soll Richter sein ⸂und entscheiden⸃, wer von uns beiden im Recht ist. Er soll dich für das, was du mir antust, zur Rechenschaft ziehen. Aber ich werde meine Hand nicht gegen dich erheben. 14 Wie das alte Sprichwort sagt: ›Nur Verbrecher begehen Verbrechen.‹ Ich jedenfalls werde dir nichts antun. 15 Hinter wem jagst du her, König von Israel? Wer bin ich, dass du mich verfolgst? Ich bin nicht mehr als ein toter Hund oder ein einzelner Floh! 16 Der Herr soll unser Richter sein ⸂und entscheiden⸃, wer von uns im Recht ist. Er soll meinen Rechtsstreit führen und mir zum Recht verhelfen!«
17 Als David ausgeredet hatte, fragte Saul: »Ist das wirklich deine Stimme, mein Sohn David?« Und er begann laut zu weinen. 18 Dann sagte er zu David: »Du bist ein besserer Mensch als ich! Denn du hast mir Gutes erwiesen, obwohl ich dir Böses angetan habe. 19 Heute hast du mir deine Güte gezeigt: Du hast mich nicht getötet, obwohl der Herr mich in deine Hand gegeben hat. 20 Wer lässt schon seinen Feind unbehelligt weiterziehen, wenn er auf ihn trifft? Der Herr möge dich für deinen Großmut belohnen!
Das war diese Geschichte aus der Bibel.
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Jetzt kehren wir wieder zurück ins Kino lassen den Agententhriller dort weiterlaufen, wo wir ihn vorhin unterbrochen haben.
Selenskyj steht also hinterm Duschvorhang im Bad von Putins Hotelsuite in Hanoi, als Putin ins Badezimmer kommt. Selenskyj zückt die Pistole, Putin zieht sein Jackett aus, hängt es an einen Haken neben der Dusche und hockt sich aufs Klo. Selenskyj legt die Pistole vorsichtig weg und schneidet eine Ecke des Jacketts ab. Zufällig lag in der Dusche eine Schere. Nach seinem Geschäft zieht Putin das Jackett wieder an, ohne zu bemerken, dass ein Zipfel fehlt und verlässt das Bad, ohne die Hände zu waschen.
Cut! Schnitt!
Selenskyj ist wieder in Kiew. Wir werden Zeuge eines heftigen Streits zwischen ihm und seinen Ministern. Der Geheimdienstchef haut auf den Tisch und brüllt: Warum hast du ihn nicht erschossen? Die ganze Aktion, die wir so gründlich geplant haben, war umsonst. So eine Gelegenheit und du drückst nicht ab!
Cut! Schnitt!
Wir sehen Selenskij bei einer seiner abendlichen Fernsehansprachen. Irgendwie ist er nicht so kämpferisch wie sonst, er redet leiser, bedächtiger. Er hat auch keinen Bart mehr und sagt, er könne sich durchaus Gespräche mit Putin vorstellen. Vielleicht werde ja Putin doch einsehen, dass er, Selenskyj, kein Nazi sei und sein Land und die NATO Russland nichts Böses wollten. Vielleicht könne auch Putin zur Vernunft kommen und von seinem imperialistischen Wahn ablassen. Die Kamera zoomt auf Selenskyjs Schreibtisch, wo ein kleines Stück Stoff liegt. Am folgenden Tag spekulieren alle Medien über dieses Stück Soff.
Wenige Tage nach Selenskyjs ungewöhnlicher Videobotschaft beginnen die russischen Truppen völlig unerwartet mit dem Rückzug aus ukrainischen Gebieten. Gerüchte von einem geheimen Treffen zwischen Selenskyj und Putin machen die Runde. In einem Bericht war sogar die Rede davon, dass Putin geweint haben soll. Das wurde vom Kreml umgehend dementiert, was eigentlich nicht nötig gewesen wäre, denn das hat ohnehin niemand geglaubt.
Ende. Aber noch nicht Amen.
Denn jetzt kommt noch eine kleine Predigt.
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Liebe Gemeinde, so, wie in diesem Film, wird es nicht kommen. Leider! Und ob es zwischen Saul und David je so gekommen war, wie in der Bibel berichtet wird – auch das kann bezweifelt werden. Die Realität ist meist gottloser. Und doch liegt ein Moment Wahrheit in diesen fiktiven Geschichten von ersehnter Versöhnung und ersehntem Frieden.
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Wenn die Fronten hoffnungslos verhärtet sind, kommt man mit Argumenten nicht weiter. Jeder hat seine Wahrheit und seine Argumente und haut sie dem anderen um die Ohren. Da ist dann so viel Wut im Spiel, dass man gar nicht mehr zuhören kann. Was die Verhärtungen dann noch aufbrechen kann, ist eine emotionale Erschütterung.
Saul war erschüttert. Durch die Güte seines Feindes. Er hat einsehen müssen, dass David ihn verschont hat, obwohl er ihn hätte töten können. Saul hat einsehen müssen, dass er mit dem Leben davongekommen ist. Saul hat weiterhin einsehen müssen, dass sein Gegner etwas tat, was er selbst nie getan hätte: den Feind zu verschonen. Saul hat eingesehen, dass David ein besserer Mensch ist als er selber.
Und noch etwas: David hat nicht gesagt: Ich bin im Recht. Vielmehr hat David Gott vor Saul als Richter angerufen. Gott soll richten. Gott soll und Gott wird entscheiden, wer im Recht und wer im Unrecht ist. Und Saul hat sich darauf ansprechen lassen. Bei allem Wahn und Wahnsinn, der sich bei Saul ausbildete – den Bezug zu Gott hatte Saul nie verloren. Er wurde nicht gottlos. Jedenfalls nicht in der Bibel.
Wer noch einen Gott über sich weiß, der das letzte Urteil spricht, kann sich eingestehen, dass er nur ein Mensch ist.
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Wir müssen reden! Und dabei gilt: Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht. Das Böse verhärtet. Das Gute erweicht. Dann wird der andere geschmeidig und sagen: Du bist ein besserer Mensch als ich. Und der wird antworten: Gott wird entscheiden, wer im recht ist.
Ach, ginge all das im wirklichen Leben doch so einfach wie in der Bibel und im Film!
Amen.
Jürgen Kaiser