Schamlos

Mittwochskolumne von Paul Oppenheim

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Ich schreibe diese Zeilen einige tausend Kilometer entfernt von Zuhause. Wie zahllose andere Menschen wurde ich hierher geflogen und frage mich, ob ich deswegen ein schlechtes Gewissen haben sollte. Es wird mir nahegelegt, meine CO2 –Sünden durch entsprechende Spenden für Umweltprojekte zu kompensieren. Der Begriff „Flugscham“ geht um die Welt, doch zielt er nicht auf die Falschen?

Im Juni findet am deutschen Himmel unter der Bezeichnung „Air Defender 23“ eine „Übung historischen Ausmaßes“ statt. 250 Militärflugzeuge der NATO –Staaten üben 10 Tage lang den „Ernstfall“. Diese militärische Flugorgie beinhaltet die größte Verlegung amerikanischer Luftwaffeneinheiten seit Bestehen der NATO mit unzähligen transatlantischen Flügen. Täglich wird es mindestens 250 Starts und Landungen unterschiedlichster Militärmaschinen geben. Jede wird pro Stunde 11 bis 15 Tonnen CO2 ausstoßen.

Während seit Jahren über das Verbot ziviler Inlandsflüge und die Einschränkung von Urlaubsflügen oder Privatjets diskutiert wird, findet der ungeheure Ausstoß von Treibhausgasen durch die Luftwaffe keine Erwähnung. Eine Boeing 747 verbraucht zwar viermal so viel Kerosin wie ein Eurofighter, transportiert aber über 350 Fluggäste, auf die sich diese Emissionen verteilen. Die CO2 Emissionen und der Spritverbrauch beim Einsatz von Kampfflugzeugen werden in keinem Regierungsbericht genannt, weil sie als militärisches Geheimnis gelten. Aus den UN-Protokollen von Kyoto, Paris oder Glasgow geht der militärische Verbrauch fossiler Brennstoffe nicht hervor, obwohl bekannt ist, dass das amerikanische Militär der größte einzelne Erdölverbraucher der Welt ist.

Im Vorfeld der gigantischen Flugübung im Juni erheben sich ein paar Stimmen gegen den Fluglärm und einige Proteste von Friedensaktivisten, wo aber bleibt der lautstarke Widerstand der Umwelt- und Klimabewegung?

Ein so umwelt- und klimaschädliches Vorhaben wie diese größte Flugübung seit Bestehen der NATO ist eine Unverschämtheit in einer Zeit, wo mein guter alter Benziner, meine Gasheizung im Keller, mein Schnitzel auf dem Teller und natürlich auch mein Urlaubsflug auf dem Prüfstand stehen. Dafür fällt mir nur ein Wort ein: Schamlos.


Paul Oppenheim