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Schwerter zu Pflugscharen: ein Schritt der Mut erfordert
Die Spirale aus Angst und Gewalt überwinden
Im September 1983 trafen sich beim evangelischen Kirchentag in der DDR bei einem Hof in Wittenberg mehr als 2000 Menschen, darunter der Theologe Friedrich Schorlemmer und der damalige regierende Bürgermeister von Berlin Richard von Weizsäcker (CDU). Ein Schmied namens Stefan Nau schlug mit seinem Hammer auf ein Schwert ein – und formte es auf dem Amboss zu einem Pflugschar. Das Ereignis ging als Friedenssymbol in die Geschichte des Kirchentags der DDR ein. 2017 wurde dem Ereignis mit einer über drei Meter hohen Figur in Wittenberg ein Denkmal gesetzt.
Die Geschichte war damals allerdings nicht zu Ende: Der Kunstschmied geriet nach der Aktion ins Visier der Stasi. Sein Geschäft ging pleite. Zwei Jahre später verließ er die DDR. 2011 starb er, nur wenig beachtet, in einer Kleinstadt in Hessen. Es war das leise Ende eines Vertreters der Friedensbewegung. Gleichzeitig zeigt das Beispiel, wie Gewalt und Unterdrückung wirken. Um Schwerter zu Pflugscharen zu machen bedarf es deshalb oft Mut.
„Schwerter zu Pflugscharen“ - Das Bibelzitat ist inzwischen im deutschen Sprachgebrauch zu einem geflügelten Wort geworden. Im Buch des Propheten Micha heißt es:
„In den letzten Tagen aber wird der Berg, auf dem Gottes Haus steht, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben. Und die Völker werden herzulaufen, und viele Heiden werden hingehen und sagen: ‚Kommt, lasst uns hinauf zum Berge des Herrn gehen und zum Haus des Gottes Jakobs, damit er uns lehre seine Wege und wir in seinen Pfaden wandeln!‘
Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des Herrn Wort von Jerusalem. Er wird unter großen Völkern richten und viele Heiden zurechtweisen in fernen Ländern. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Kein Volk wird gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden fortan nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie schrecken.
Denn der Mund des Herrn Zebaot hat es geredet.“ (Mi 4,1–4)
Ein Teil ging im Sprachgebrauch verloren: „Niemand wird sie schrecken.“ Krieg und Schrecken tauchen hier nicht zufällig im selben Kontext auf. Gewalt führt zu Angst. Gleichzeitig kann Angst vermehrte Gewalt provozieren. Angst und Gewalt entwickeln sich damit oft zu einem Kreislauf, dessen Mechanismus sich nur schwer stoppen lässt. Dazu braucht es aus Sicht des Reformierten Bundes Entschlossenheit.
Die Friedensaktion von Wittenberg fiel ins Jahr nach der vom Moderamen des Reformierten Bundes veröffentlichte Erklärung „Das Bekenntnis zu Jesus Christus und die Friedensverantwortung der Kirche" (1982). Unter dem Slogan „Nein ohne jedes Ja“ forderten die Beteiligten zum ausnahmslosen Verzicht auf Massenvernichtungswaffen auf. Hintergrund war damas eine zunehmende Aufrüstung, eine gefühlte Verhärtung der Fronten zwischen Ost und West. Die NATO hatte nur wenige Jahre zuvor beschlossen hunderte Pershing-II-Raketen in Westeuropa zu stationieren.
Bis heute, fast 40 Jahre später, hat die Thematik nicht an Aktualität verloren. Atomwaffenarsenale der NATO und Russlands bestehen auch nach dem Ende des Kalten Krieges weiter. In Deutschland lagern am Standort „Fliegerhorst Büchel“ Schätzungen zufolge allein 20 Bomben. Zwar rief der damalige Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) 2009 dazu auf sämtliche US-Waffen aus Deutschland abzuziehen. Das ist bislang aber nicht geschehen. Anfang 2018 bekräftigte das Pentagon vielmehr seine Strategie, die in Europa stationierten US-Atombomben modernisieren zu wollen. Ein Abzug der Atomwaffen ist damit nicht in Sicht.
Waffenbesitz und Waffenexporte haben zugenommen: Neue Atomwaffenstaaten wie Pakistan, Indien, Nordkorea sind hinzugekommen, alle drei stehen außerhalb des Atomwaffensperrvertrags. Ob Deutschlands Auslandseinsätze gemäß der Charta der Vereinten Nationen „friedenserhaltend“ oder „friedensichernd“ sind, ist spätestens seit Einsatz im Kosovo-Krieg nicht nur aus völkerrechtlicher Sicht fraglich. Darüber hinaus zählt die Bundesrepublik bis heute zu den größten Rüstungsexporteuren weltweit. Waffenlieferungen an Länder wie Saudi-Arabien sind höchst umstritten.
Zum 70. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima und Nagasaki erneuerte der Reformierte Bund deshalb seine Forderung nach einer „Verhinderung der Rüstungsexporte“. Das Moderamen rief 2015 die Bundesregierung dazu auf, „sich für den vollständigen Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland stark zu machen“. Mit der Friedenserklärung "Die Welt, unsere Angst und der Gott des Friedens“ fordert der Reformierter Bund dazu auf, Schritte gegen die Spirale aus Angst und Gewalt zu unternehmen. Dazu gehören Transparenz und strikte Waffenexportkontrollen - aber auch eine Eindämmung der Gewaltkultur durch privaten Waffenbesitz.
Impulsfragen:
- Angst-Konflikt-Spiralen gibt es auch im Alltag. Wie haben Sie erlebt, dass diese durchbrochen werden konnten?
- Gewalt als Angstimpuls: Wieviel Verständnis sollten entgegenbringen? Ab wann kann Angst bedrohlich werden?
- Gewalt gegen uns, Gewalt gegen andere Menschen: Wie weit dürfen wir gehen, um uns und anderen zu helfen?
- Beteiligung an bewaffneten Konflikten ist politisch derzeit u.a. per UN-Charta geregelt. Kann Gewalt aus Ihrer Sicht Gewalt beenden? Wenn nein, was sind Alternativen?
Isabel Metzger
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