'Gerechter Friede' - Was bedeutet das?
Hintergründe und Diskussionsimpulse
Neu entfacht wurde die Diskussion um einen "gerechten Frieden" durch die kriegerischen Einsätze in Syrien. Die Terrormiliz IS verzeichnete 2015 enorme Gebietsgewinne, begleitet von Gewalt und Gräueltaten. Wie sollte das Ausland darauf reagieren? Die Großmächte beschlossen in den Krieg einzugreifen, auf unterschiedlichen Seiten. Dabei schreckten sie auch vorm Einsatz militärischer Gewalt nicht zurück.
Die Großmächte begründeten unter anderem damit, die Zivilgesellschaft damit vor weiteren Kriegsverbrechen wie Massakern und Giftgasangriffen schützen zu wollen. Tatsächlich führten die Kriegseinsätze der Großmächte teilweise aber zu enormen Schäden und einer Vielzahl auch an zivilen Todesopfern. Nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen kamen allein bei US-Einsätzen in der früheren IS-Hauptstadt Al-Rakka rund 1600 Menschen aus der Zivilbevölkerung ums Leben.
Impulsfragen:
- Gibt es eine ethische Legitimation zu militärischer Gewalt gegen Unrechtsregime und Terrormilizen, um die Zivilbevölkerung zu schützen („right to protect“)?
- Wenn ja: Wer darf diese Legitimation für sich beanspruchen?
- Gibt es Alternativen zu einem militärischen Eingreifen, um Zivilisten vor staatlichem oder nichtstaatlichem Terror zu schützen?
Durch ihre Fachgremien waren und sind die Kirchen auch an der Diskussion um diese Fragen beteiligt. Sie initiieren und suchen den Austausch miteinander und mit Vertretern der Politik. Die Frage nach dem Zusammenhang von Gerechtigkeit und Frieden wird in den Kirchen seit der Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) in Busan 2013 vielfach im Zusammenhang mit der Pilgrimage of Justice and Peace diskutiert.
Eine weitere wichtige Grundlage für „just peace“ ist die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit in den einzelnen Staaten. Wesentliche Kennzeichen der Rechtsstaatlichkeit sind, dass jeder einzelne Bürger das Recht hat, staatliches Handeln auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu lassen, sowie ein unabhängiger Journalismus. Beide tragen insofern zum Frieden bei, als Willkür, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die öffentliche Propagierung falscher Tatsachen – auch falscher Vorwürfe – überprüfbar sind und aufgedeckt, entmachtet und geahndet werden können. Die EU ist – jedenfalls bisher – das Paradebeispiel für auf Rechtsstaatlichkeit basierenden Frieden innerhalb einer Staatengemeinschaft. Aus diesem Grund ist auch das Eintreten für bürgerliche Rechte (Meinungsfreiheit, Datenschutz, Schutz der Privatsphäre) in unserer Gesellschaft friedensstiftendes Handeln im Sinn von These VIII.
Impulsfragen:
- In welchen rechtlichen Rahmen ist Konfliktschlichtung einzubetten? Ist Frieden nur dann wieder herstellbar, wenn allen Seiten „genüge getan“ und alle Kriegsschuld gesühnt wird?
- Ist es gerecht, wenn einzelne Kriegsparteien „um des Friedens willen“ politische oder wirtschaftliche Nachteile in Kauf nehmen? Können als ungerecht empfundene Waffenstillstände nachhaltig Frieden sichern?
- Wie könnte eine sinnvolle Prävention von Krieg aussehen? Welche Rollen spielen wirtschaftliche Interessen und mangelnde Rechtsstaatlichkeit als eigentliche Ursache für kriegerische Auseinandersetzungen?
In der gemeindlichen Arbeit lässt sich die Blickrichtung auf die Handlungsoptionen zur Entschärfung von Konflikten erweitern. Das Thema Anlass, über Alternativen der Konfliktlösung nachzudenken und Aufmerksamkeit für Veränderungen in unserer Gesellschaft zu wecken. Statt Resignation („Ich kann ja doch nichts für den Frieden in der Welt tun“) lassen sich neue Impulse für ein friedliches Zusammenleben diskutieren.
Impulsfragen:
- Welche Rahmenbedingungen sollte es für einen gelingenden Frieden geben?
- Wie lassen sich Konfliktsituationen im Alltag entschärfen bevor es zum Ausbruch kommt?
- Welche Erfahrungen (positiv wie negativ) haben Gemeindemitglieder gemacht bei dem Versuch Konflikte friedlich zu lösen?
Susanne bei der Wieden
Bilder bieten einen möglichen Einstieg für ein so komplexes Thema wie Frieden und Gerechtigkeit.
Die Thematik des „just peace“ wird in biblischen Texten nicht unmittelbar thematisiert. Wohl aber gibt es Texte, die zu einer Diskussion der Frage anregen, wie Gerechtigkeit und Friede einander bedingen.
Neben einer biblischen Annäherung an die Thematik gibt es auch Texte oder Textausschnitte aus Reden, die sich für eine Diskussion mit Gemeindegruppen eignen.
Der Reformierte Bund hat 2017 einen Zwischenruf zur Friedensverantwortung der Kirche veröffentlicht. Hier finden Sie Leitsatz VIII zusammen mit weiterführende Materialien und Impulsen.