Am 26.9. ist der internationale Tag des Flüchtlings. Die meisten Leute wissen das wahrscheinlich nicht oder kümmern sich nicht um die endlose Reihe von Tagen mit irgendwelchen Bestimmungen. Und selbst wenn dieser Tag zur Kenntnis genommen wird: Reicht denn ein einzelner Tag des Gedenkens angesichts des weltweit wachsenden Flüchtlingselends? Müssten wir uns nicht alle Tage damit beschäftigen?
Ich lese den Text des Wochenliedes und frage mich: Woran soll ich denken, wenn da von „meiner Angst und Not“ (1) die Rede ist? Da muss ich schon sehr suchen, denn mir geht es, wie hoffentlich vielen anderen in der Gemeinde, nicht schlecht. Und ehrlicherweise kann ich nicht behaupten, dass „mich mein Sünd anficht“ (2). Noch weniger: „Ob mich der Tod nimmt hin, ist Sterben mein Gewinn“ (3). Mir sträubt sich Vieles gegen dieses Lied.
Natürlich weiß ich, dass Authentizität nicht das höchste Kriterium ist im Blick auf die tradierten Gesangbuchlieder. Und manchmal gelingt es mir, beim Singen an die zu denken, die solche frommen Sätze tatsächlich nachsprechen konnten und noch können, also „fürbittend“ zu singen. Aber weder bei diesem, noch bei dem alternativ vorgeschlagenen Wochenlied „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ ist mir das in Gedanken an die dramatische Lage unzähliger Flüchtlinge möglich, auch wenn vielleicht unter ihnen eine solche Gottergebenheit verbreitet ist.
In der reformierten Tradition ist man glücklicherweise nicht an Wochenlieder gebunden. Da gibt es den Schatz des vollständig abgedruckten Psalters, in dem auch die Empörung über die Macht der Gewalttäter und die Klage über das Los der Opfer zum Ausdruck kommt, und Gott gedrängt wird, endlich einzugreifen! Ich würde am Sonntag gern Ps 10 singen!
Sylvia Bukowski, 26. September 2014