Sylvia Bukowski, Pfarrerin und Autorin bei reformiert-info, ist Anfang 2012 für zwei Monate auf den Philippinen gewesen. In Baguio unterrichtete sie Homiletik und Liturgie am Ecumenical Theological Seminary, besuchte in Manila und Maryridge/Tagaytay verschiedene evangelische Gemeinden und kirchliche Projekte. Ihre Arbeit bei der UCCP, der United Christian Church in the Philippines, wurde vermittelt von der Vereinigten Evangelischen Mission (VEM): www.vemission.org.
In "Skizzen" erzählt Sylvia Bukowski von ihren Eindrücken in dem "philippinischen Chaosland", dessen Gegensätze sie "manchmal sehr zerrissen haben".
Morddrohungen konnte er trotzen,
der alte Bischof aus Mindanao,
aber nicht dem Schlag,
der ihn gelähmt hat.
Nun kann der Mann der mutigen Schritte
nur noch ganz kleine gehen
im geschützten Hof.
Sein Körper ist gebeugt,
aber noch immer predigt er
den aufrechten Gang.
Der Pfarrer liest aus seinem Manuskript
auf Englisch,
das nur ich verstehe:
„Love your enemies
and pray for them.“
Vor ihm sitzen fünf Frauen,
zwei mit Babies,
und ein magerer Rikschafahrer.
Es sind „streetdwellers“,
Bewohner der Straße.
Sie müssen auf die Übersetzung warten,
und hören viel
von „alt-israelitischen“ Bräuchen.
Eine der jungen Mütter ist eingeschlafen.
Dann darf ich fragen,
wer denn ihre Feinde sind.
Die eine erzählt unter Tränen
von ihrer Schwägerin,
die sie vergiften wollte,
die andere von den Schwestern,
die sie nicht mehr nach Hause lassen,
weil sie so dreckig ist,
und eine dritte weint,
weil sie um ihr Erbe betrogen wurde.
Ganz viel Schmerz erfüllt den Raum.
Feindesliebe,
was heißt das für Menschen,
die verletzt und schutzlos sind
in einer feindlichen Gesellschaft?
Alt werden
bedeutet neu kämpfen müssen
für Mitarbeiter der UCCP.
Weniger als 20 Euro
erhalten die meisten von ihnen
nach einem Leben voller Hingabe.
Wer keine Kinder hat,
wer kein Feld mehr bestellen kann,
und erst recht:
wer krank wird,
kann kaum überleben.
Die Kirche,
die kämpft
für ein menschenwürdiges Leben
der Armen,
kann nicht sorgen
für ein würdiges Altern
in ihren Reihen.
Warum fotografiere ich
die Kinder der Straße
und des Mülls?
Ich möchte das Elend zeigen,
in dem sie leben,
und andere damit
zum Nachdenken
und zum Handeln bewegen.
Aber die Kinder bemühen sich,
so zu erscheinen,
wie andere Kinder,
schneiden Grimassen
und verrenken sich
vor der Kamera.
Ihre Armut
soll nicht sichtbar werden
die Erfahrung von Verlassenheit
wollen sie verbergen.
Ich möchte zeigen, was ist,
und verrate die Kinder.
Der bunte Weihnachtsschmuck
leuchtet immer noch
auf dem Roxas Boulevard.
Aber wie anders sehe ich
die erleuchtete Prachtstrasse Manilas
als bei meiner Ankunft.
Viele Male habe ich seither
frierend im aircon Bus
ihre Staus ausgesessen.
Die jeepneys, die so exotisch schienen,
sind mir ein vertrautes Verkehrsmittel geworden.
Hinter den Lichtern
weiß ich inzwischen
die Hütten der Armen.
Und ich habe überlebt,
diese Straße zu überqueren.
Ich verlasse Manila
und nehme so viel von dieser Stadt mit.
Nun sehe ich wieder
ordentliche Felder,
schneebedeckt,
im schönen Kontrast
mit dunklen Waldstücken.
Ich freue mich,
nach Hause zu kommen,
aber ich möchte nicht missen
die Bilder,
die Worte,
die Begegnungen
aus dem philippinischen Chaosland.