Die Militarisierung von Konflikten wird immer öfter zu einer gängigen Option der Politik. Deren Erfolge werden jedoch zunehmend kritisch hinterfragt. Besonders deutlich wird dies am Beispiel Afghanistans. Dieses Land gehörte bereits im ‚Kalten Krieg‘ zu den internationalen Konfliktherden. Mit dem Einmarsch sowjetischer Truppen wurde es 1979 zum Ort eines zehnjährigen Stellvertreterkrieges zwischen der sowjetischen Besatzungsmacht und den von den USA, Saudi-Arabien und Pakistan unterstützten Mudschaheddin. Nach dem Abzug der Sowjetarmee 1989 kam es zu einem mehrjährigen Bürgerkrieg und ab 1996 in großen Teilen des Landes zum grausamen Taliban-Regime, das 2001 durch die US-geführte Operation Enduring Freedom (OEF) und den Einsatz der International Security Assistance Force (ISAF) zunächst beendet wurde.
Der Erfolg dieser militärischen Intervention ist nach der Bilanz vieler Beobachter ernüchternd, um nicht zu sagen desaströs. Deutsche Soldaten beteiligen sich aktuell weiterhin am NATO-geführten Einsatz Resolute Support, der der Ausbildung und Beratung afghanischer Verteidigungs und Sicherheitskräfte dient. Spätestens nach dem Angriff (Selbstmordattentat) der Taliban auf das deutsche Konsulat in Masari-Scharif (November 2016) und dem schweren Bombenanschlag im Diplomatenviertel von Kabul (Mai 2017) wird deutlich, dass das Land im Bürgerkriegszustand verharrt.
15 Jahre Militäreinsatz unter der Führung der USA haben keine Sicherheit und Stabilität gebracht, um von demokratischen Strukturen gar nicht erst zu sprechen. Die prekäre Sicherheitslage zeigt sich darin, dass nach Angaben der UN die Zahl der getöteten unverletzten Zivilisten in Afghanistan 2016 einen statistischen Höchststand erreicht hat. Solche Negativbilanzen, selbst wenn man sie nicht in der Drastik der Beurteilung teilt, mahnen zu größter Zurückhaltung, was sog. ‚humanitäre Interventionen‘ bzw. internationale bewaffnete Friedensmissionen angeht. Auch sind die Berichte aus der Militärseelsorge zu den realen Belastungen für die Soldat_innen und ihrer Familien erschreckend, etwa hinsichtlich der Zahl von Behandlungen aufgrund von posttraumatischen Belastungsstörungen.
Die EKD-Friedensdenkschrift hat zu Recht strenge Prüfkriterien für internationale bewaffnete Friedensmissionen benannt, auf die wir mit Nachdruck verweisen.9 Die zunehmende Wahl militärischer Optionen bei Konflikten ist deshalb zu hinterfragen angesichts des offenkundigen Umstands, dass militärische Eingriffe zu keinen haltbaren Lösungen führen, aber unendliches Elend anrichten. Der ‚Vorrang des Zivilen, d. h. ziviler Konfliktlösungen‘ und die ‚vorrangige Option für Gewaltfreiheit‘ sind u.E. unbedingt festzuhalten. Auch im Blick auf Afghanistan, das bisweilen in Vergessenheit zu geraten droht, betonen wir mit der Friedenserklärung von 1982: „Im Vertrauen auf die Herrschaft Jesu Christi und in der Kraft des Heiligen Geistes wollen wir uns nicht entmutigen lassen, für den Frieden zu beten, zu denken und zu arbeiten.“ (These VI)
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