Vor dem Hintergrund des bisher Genannten erfährt auch der zentrale Punkt der Erklärung von 1982 neue Aktualität. Denn das Gefahrenpotential der Atomwaffen, dem das „Nein ohne jedes Ja“ der Erklärung von 1982 galt, ist bis zur Stunde keineswegs gebannt. Entgegen allen Versicherungen der 1990er Jahre wurden die Atomwaffenarsenale der NATO und Russlands nur teilweise abgebaut. In den USA gibt es konkrete Bestrebungen, massiv in die 'Modernisierung' der nuklearen Waffensysteme zu investieren.
Neue Atomwaffenstaaten wie Pakistan, Indien, Nordkorea sind hinzugekommen, die mit Israel zu den faktischen Atommächten gezählt werden und außerhalb des Atomwaffensperrvertrags stehen. Zudem werden Kernwaffenprogramme in Saudi-Arabien vermutet. Und das 2016 erfolgreich ausgehandelte Atom-Abkommen mit dem Iran wird durch die US-Regierung wieder infrage gestellt. Die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen gibt zusammen mit der neuen Ost-West-Polarisierung, dem demagogischen und nationalistischen Populismus und dem weltweit sich verstärkenden Freund-Feind-Denken deutlichen Anlass zur Sorge. Deshalb verweisen wir auf die Friedenserklärung von 1982, die sich gegen die „Entwicklung, Bereitstellung und Anwendung von Massenvernichtungsmitteln [wandte], die den von Gott geliebten und zum Bundespartner erwählten Menschen ausrotten und die Schöpfung verwüsten können“ (These III).
Das Moderamen des Reformierten Bundes hat deshalb zum 70. Jahrestag der US-amerikanischen Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki von der Bundesregierung gefordert, „sich für den vollständigen Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland stark zu machen [...] [und] sich Initiativen anzuschließen, die in Konsequenz des Nichtverbreitungsvertrages auf die vollständige Abrüstung aller Atomwaffen weltweit zielen.“6. Deshalb begrüßen wir die erfolgreichen Bemühungen zur Unterzeichnung des UN-Vertrages über ein Atomwaffenverbot, der es allen unterzeichnenden Staaten verbietet, Atomwaffen zu entwickeln, zu besitzen, zu lagern, zu stationieren oder zu finanzieren. Wir fordern die Bundesregierung auf, ebenfalls diesen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag zu unterzeichnen.7
Die Friedenserklärung sprach sich 1982 zudem kategorisch aus für „das Verbot und die Verhinderung der Rüstungsexporte" (These IV). 35 Jahre später stellen wir fest, dass Rüstungsexporte und Waffenhandel weltweit deutlich zugenommen haben. Vor allem in der Krisenregion des Mittleren Ostens stieg die Nachfrage. Die Waffenexporte und Lieferungen in Krisengebiete verhöhnen jedoch die zeitkritische Vision der Bibel von der Umschmiedung der Waffen: „Und er wird für Recht sorgen zwischen vielen Völkern und mächtigen Nationen Recht sprechen, bis in die Ferne. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden und ihre Speere zu Winzermessern. Sie werden das Schwert nicht erheben, keine Nation gegen eine andere, und das Kriegshandwerk werden sie nicht mehr lernen.“ (Mi 4,3, vgl. Jes 2,4; Joel 4,10).
Dass auch Deutschland zu den größten Waffenexporteuren der Welt gehört, erfüllt uns mit Scham und Zorn. 2016 hat die Bundesregierung Rüstungsexporte im Wert von 6,85 Milliarden Euro genehmigt – nach 2015 der zweithöchste Wert in der Geschichte der Bundesrepublik. Selbst Waffenlieferungen in Krisen und Konfliktgebiete (z. B. Saudi-Arabien) werden trotz öffentlicher Kritik fortgesetzt. Und die Genehmigungen zur Ausfuhr von Kleinwaffen und Munition haben 2016 weiter zugenommen.
Wir sind der festen Überzeugung, dass für den Handel mit Rüstungsgütern Transparenz und eine strenge Exportkontrolle zwingend geboten sind. Eine Regulierung des internationalen Waffenhandels auf völkerrechtlicher Grundlage ist unseres Erachtens unabdingbar.8 Besonders im Blick auf vollautomatisierte Waffensysteme (‚Kampfdrohnen‘) gilt, dass diese Waffensysteme völkerrechtlich geächtet werden müssen. Sie ‚erleichtern‘ durch ihren Einsatz Kriege, indem sie als sog. ‚Mittel risikoloser Kriegsführung‘ die „Kultur militärischer Zurückhaltung“ (Hans Richard Reuter) schwächen. Im wörtlichen Sinne ‚entmenschlichen‘ sie Gewaltakte in potenzierter Weise, vollziehen ohne gerichtliches Verfahren Todesurteile und nehmen zivile Opfer in Kauf.
Wir können uns nicht äußern, ohne darauf hinzuweisen, dass auch bei den Menschen in unserem Land der private Waffenbesitz steigt. Die dem zugrunde liegende Angst und Gewaltkultur des Waffenbesitzes steht ebenfalls in Kontrast zur prophetischen Vision des Micha, die wie keine andere die Friedenshoffnung der Menschheit ausdrückt.
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