Aktuelles
Aus den Landeskirchen >>>
Aus den Gemeinden >>>
Aus dem Reformierten Bund >>>
Kolumne >>>
from... - die reformierte App
Newsletter
Wir auf Facebook
Zionismus und zeitgenössische Bundestheologie
Ein Denkanstoß für christliche Bundestheologie?
David Novak lehrt als jüdischer Philosoph in Toronto, Kanada. Er gilt „als einer der bedeutendsten jüdischen Religionsphilosophen der Gegenwart sowie als bedeutender Erneuerer politischer Theologie im Judentum“ (Brumlik, 124). Der ordinierte Rabbiner ist einer der Unterzeichner von „Dabru emet (Redet Wahrheit)“, einer jüdischen Stellungnahme zu Christen und Christentum im Jahr 2000.
Novaks Antwort auf die „zionistische Herausforderung“ stellt Micha Brumlik, Professor für Erziehungswissenschaft in Frankfurt/M., in seinem Buch „Kritik des Zionismus“ (2007) deutschsprachigen Lesern vor. Der Ansatz von Novaks Bundestheologie wird im Folgenden nach diesen Ausführungen dargestellt.
Novak beurteilt biblische Landverheißungen im Sinne rabbinischer Auslegung, die bei einer Betrachtung des „Landes“ den „Eigentumstitel“ berücksichtigt. So stellt Novak fest, „dass die Tora jede dauerhafte Übertragung von landwirtschaftlich nutzbarem Boden an die Stämme Israels definitiv bestreitet“. Dieses Land wurde dem Volk Israel „von Gott nur konditional, niemals aber bedingungslos übertragen“.
Land ist keine „Ware“, die „für immer“ verkauft oder erworben werden kann. Es ist lediglich „eine kommerzielle Größe“, der ein „Nutzen für eine maximale Zeit von 49 Jahren – bis zum nächsten Jubeljahr – zugesprochen werden kann.“ Dieses Verständnis des Landes gründet auf 3. Mose 25, 23 und Psalmen, die betonen, dass das Land Gottes Eigentum ist: „Die einschlägige Passage der Tora ist (…): ‚Denn das Land soll nicht auf Dauer verkauft werden; da die Erde mein ist, seid ihr mir Fremde und Beiwohner’ (Leviticus 25, 23) – ein Rechtssatz, der auch durch die Psalmen bestätigt wird, nach denen die Erde und was sie erfüllt, der Erdkreis und die ihn bewohnen, Gottes sind (Ps 24, 1). Psalm 115, 16 unterstreicht, dass die Erde den Menschen gegeben worden ist.“ (Brumlik, 125).
Während aus bundestheologischer Sicht – wie sie Novak entfaltet und wie sie auch von Christen vertreten wird (vgl. „Der eine Bund Gottes für Israel und Kirche“ auf reformiert-info) –, die Erwählung des Volkes Israel von Gottes und des Menschen Seite aus unkündbar ist, ist die Gegenwart des jüdischen Volkes im Land Israel laut Novak nicht ein wesensnotwendiger Bestandteil des Bundes zwischen Gott und Volk: „The presence of the Jewish people in the land of Israel must be recognized as a contingent matter by them.“ (Novak, Land and People, 62).
Auf Grund dieses Bundes konnte das jüdische Volk auch im Exil, im Leben außerhalb des Landes Israel, seine Identität wahren. Auch wenn in klassischer rabbinischer Sicht, vgl. im babylonischen Talmud, Traktat Ketubbot 110b-111a, die Erfüllung der Gebote am besten im Land Israel möglich ist, ist dieser Ort nicht zwingend notwendig für ein jüdisches Leben, das den Weisungen des Bundes folgt. Erst am Ende der Zeiten, wenn der Messias kommt und ganz Israel sammelt, ist nach rabbinischer Lehre das Land Israel der einzig notwendige Ort für die Erfüllung der Weisungen (vgl. Brumlik, 128).
Was bedeutet dieser Entwurf einer Bundestheologie für Nichtjuden, die im Land Israel leben?
In der Bibel finden sich in Numeri (4. Mose) 33, 53f. sowie 36, 3 und Leviticus (3. Mose) 24, 22 und Exodus (2. Mose) 23, 9 Weisungen, die Antwort geben. Zunächst bestimmen die „Zuteilungsregeln“ in Numeri 33 und 36. Sie besagen, „dass im alten Israel das volle ‚politische’ Persönlichkeitsrecht nur jenen zukam, die Ansprüche auf Stammesland hatten.“ (Brumlik, 126) Daraus ergibt sich für Nicht-Israeliten im Land eine schwierige Situation. Ihre „unverletzbaren Persönlichkeitsrechte“ hält jedoch Leviticus 24, 22 fest: „Es soll ein und dasselbe Recht unter euch sein für den Fremdling wie für den Einheimischen; ich bin der HERR, euer Gott.“
Demnach sind, so Novak, nur zeitweise auf dem Land weilende Personen genauso zu behandeln wie alteingesessene Einheimische: „In Verbindung mit dem in Exodus 23, 9 artikulierten Prinzip ,Du sollst den fremden Beiwohner nicht bedrängen, da du das Leben des Fremden kennst und selbst ein Fremder warst im Lande Ägypten’ lassen diese Passagen der Tora nur einen Schluss zu: ‚Thus the Land of Israel is not to be a place that is ever ‚ethically cleansed’.’“(Brumlik, 126; Novak, 64)
Für Novak bedeutet die bundestheologische Verpflichtung, unter dem Recht zu leben, dass der moderne Rechtsstaat „ein wesentlicher Bestandteil des Bundes zwischen Gott und Israel, ja zwischen Gott und allen Menschen ist“. So kann die Bundestheologie wegweisend sein, für eine theologisch und politisch begründete Form des Zusammenlebens verschiedener ethnischer und religiöser Gemeinschaften im Land Israel: „Perhaps then, the same covenantal thinking, which is the only cogent way I can see, both theologically and politically, for the return of Jewish law in and for a modern nation-state, can lead to a coherent modus vivendi with the other communities who now share life with the Jews within the borders of the greater land of Israel.” (Novak, zitiert nach Brumlik, 128)
Und darüber hinaus gibt Novaks Entwurf einer Bundestheologie wichtige Impulse für eine christliche Bundestheologie (vgl. auf reformiert-info die Überlegungen von Crüsemann, Marquardt und Kriener), die nach der Bedeutung des Landes Israel fragt und dabei beides möchte: den biblischen Worten zum Land Israel gerecht werden und in den gegenwärtigen politischen Fragen wegweisend sein.
Literatur:
Micha Brumlik, Kritik des Zionismus, Hamburg 2007
David Novak, Land and People, in: M. Walzer (Hrsg.), Law, Politics, and Morality in Judaism, Princeton 2006
Barbara Schenck
In dem Anspruch des jüdischen Volkes auf das Land Israel sieht der Alttestamentler Frank Crüsemann die möglicherweise größte Herausforderung für christliche Theologie dieser Tage. Er benennt drei Problemfelder einer christlich-theologischen Beurteilung des Staates Israel und erinnert an drei Aspekte, die für weitere kirchliche Stellungnahmen zum jüdischen Staat zu bedenken sind.
Das Verhältnis Israels zu seinem Land ist kaum bedacht in christlicher Dogmatik. Anders bei Friedrich-Wilhelm Marquardt: Der evangelische Theologe lädt in seiner Eschatologie dazu ein, das jüdische Volk und seinen Staat als "neue Tatsache" wahrzunehmen.
Als "Schüler" Marquardts beleuchtet Kriener dessen Auslegung der biblischen Landverheißung in Bezug auf den heutigen Staat Israel. Er kritisiert das Ausblenden realpolitischer Fakten des 20. Jahrhunderts. Diese seien mit der biblischen Landnahme im Einzelnen nicht zu vergleichen. Kriener selbst plädiert für eine „konsequent uneschatologische Sicht Israels inmitten der Juden in aller Welt und inmitten der Völker der Welt“, die auch das „Heimatrecht“ der Palästinenser umfasse. Zu dieser Sicht habe Marquardt selbst in seiner den Eschatologie-Bänden folgenden „Utopie“ (1997) die Tür geöffnet.
Thesen auf dem Weg zu einer Hermeneutik, "die weder unsere Heiligen Schriften, noch die völkerrechtliche Grundlage der Legitimität des Staates Israel desavouiert".