'Schlüsseldokument des kirchlichen Widerstands'

ErK: Christlicher Widerstand im Nationalsozialismus wirkt bis heute

© ErK/Ulf Preuß

Eine Gedenkveranstaltung erinnerte in der Emder Johannes a Lasco Bibliothek an die Veröffentlichung der Barmer Theologischen Erklärung vor 90 Jahren.

Kirchenpräsidentin Susanne Bei der Wieden hat die Bedeutung der Barmer Theologischen Erklärung für das Verhältnis von Kirche und Politik hervorgehoben. Bei einer Gedenkveranstaltung in der Emder Johannes a Lasco Bibliothek zum 90. Jahrestag der Erklärung sagte sie: „Gerade auch in unseren Zeiten ist diese Berührung, das Einmischen, das Stärken der biblischen Aussagen von immenser Bedeutung, ja, Notwendigkeit für unsere Gesellschaft und den Weltfrieden.“

Mit der Barmer Theologischen Erklärung wehrte sich die „Bekennende Kirche“ in der Zeit des Nationalsozialismus gegen die inhaltliche und organisatorische Gleichschaltung der Kirche durch den NS-Staat. Am 31. Mai 1934 – vor 90 Jahren - wurde sie in Wuppertal-Barmen veröffentlicht.

Bei der Wieden nannte das evangelische Bekenntnis „Urkunde und Schlüsseldokument des kirchlichen Widerstands gegen den Nationalsozialismus“. In der ersten von sechs Thesen heißt es: „Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen.“

„Ich bin dankbar für Barmen“, sagte die Kirchenpräsidentin. Die Barmer Theologische Erklärung habe über die Zeit ihres Entstehens Wirkung entfaltet. Ein Beispiel sei die Ablehnung der Rassentrennung durch Christinnen und Christen in Südafrika, die sich in ihrem Bekenntnis von Belhar auf Barmen berufen hätten. Auch die evangelischen Theologinnen und Theologen, die im Rahmen der Friedensbewegung der 1980er Jahre den Besitz und Einsatz von Atomwaffen ablehnten, hätten sich auf die Barmer Erklärung bezogen.

Ebenso stehe der Beschluss der der evangelisch-reformierten Synode vom November 2023 in dieser Tradition. Vor einem halben Jahr hatte die Synode entschieden, dass Menschen mit extremistischen Positionen keine kirchlichen Leitungsämter übernehmen könnten. Es sei mit dem christlichen Selbstverständnis unvereinbar, „anderen Menschen oder Menschengruppen die Gleichheit und Würde abzusprechen, egal ob es um Herkunft, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Behinderung oder andere Eigenschaften geht.“

Bei der Wieden sprach aus heutiger Sicht auch Defizite der Barmer Theologischen Erklärung an. „Bei aller Klarheit ist bemerkenswert, dass sie den Nationalsozialismus an keiner Stelle namentlich nennt. Und bedauerlicherweise fehlt ebenfalls ein klares Nein zum Antisemitismus.“ Sie hob ebenfalls hervor, dass die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland nicht zu den ehrwürdigen Teilen der Kirchengeschichte der Evangelisch-reformierten Kirche gehöre. „Im Gegenteil. Es gab sie, die Verknüpfung des politischen Ja zu Hitler und des kirchlichen Ja zu Christus."

Am Vormittag bereits wurde der frühere Emder Pastor Hermann Immer (1889-1964) mit einem „Stolperstein“ des Künstlers Gunter Demnig geehrt. Ein Stein mit einer Messingplatte, auf der sein Name und seine Lebensdaten eingraviert sind, erinnert jetzt an Immers oppositionellen Geist im Nationalsozialismus. Immer sei für seine außergewöhnlichen sozialen Aktivitäten vor allem in der Emder Arbeiterschaft im Stadtteil Port Arthur/Transvaal und im Emder Hafen bekannt gewesen. Thomas Sprengelmeyer vom Arbeitskreis Stolpersteine Emden erinnerte auch daran, wie sich Emder Hafenarbeiter für Immer eingesetzt hätten. Im Anschluss an Immers Predigt zwei Tage nach dem Beginn von Hitlers Angriffskriegs sei er inhaftiert worden. Die Drohung, den Hafen mit einem Streik lahmzulegen, habe zu seiner Entlassung geführt.

"Immer lebte die Barmer Theologische Erklärung im Alltag der Stadt Emden", sagte der Emder Pastor Bert Gedenk. Noch heute sei er als "widerständischer Geist der Bekennenden Kirche und als vom Nazi-Regime Verfolgter in Emden in Erinnerung.


Quelle: ErK