es ist mir eine Ehre, Ihnen meinen zweiten und zugleich auch letzten Bericht als Moderator des Reformierten Bundes vortragen zu dürfen.
Meinen Bericht möchte ich anhand der folgenden vier thematischen Schwerpunkte aufbauen:
Frieden ist und bleibt ein Thema. Dafür brauchen wir nicht ausschließlich den Blick in unsere Geschichtsbücher oder den Gang zu den historischen Stätten des NS-Regimes, die allein in dieser Stadt beredetes Zeugnis davon abgeben, wie sich aus gesellschaftsspaltender und hasserfüllter Ideologie, zunächst Gewalt entwickelt und in einen entfesselten Krieg mündet. Wer in unserer Geschichte 80 Jahre zurückblättert, der bekommt eine Ahnung von den gravierenden Auswirkungen einer gezielten Desinformationspolitik, die wir heute „fake news“ nennen. Wer hinterfragte denn noch nach sechs Jahren nationalsozialistischen Propagandafeuers, dem Forcieren eines Feindbildes, im September vor 80 Jahren, ob denn wirklich nur zurückgeschossen wurde- andererseits hätte es da auch nichts mehr genützt.
Der Blick in die Geschichte stellt uns mit beiden Beinen in die Gegenwart. Anders als unsere Vorväter und Vormütter stehen wir vor der täglichen Herausforderung uns auszusuchen, welche Informationen wir im engeren Sinne des Wortes wahrnehmen und damit für wahr halten. Was für eine Wirkung eine bis in die Mitte der Gesellschaft reichende Themensetzung aus dem äußersten Rand unseres politischen Spektrums mit sich bringt, ist gesellschaftlich spürbar.
Ich nenne ein Beispiel: Die Diskussion um das Verbot an Kopftüchern an Grundschulen. Zahlreich wurde darauf hingewiesen, dass es sich empirisch und phänomenologisch betrachtet um kein Thema handelt. Und doch spricht man davon und schon kochen die Emotionen hoch. Schon fangen Eltern bei der Einschulungsfeier genauer an, zu gucken, wie die größeren Kinder auf dem Schulhof aussehen. Wir müssen höllisch aufpassen, dass die Saat der Zwietracht nicht bereits in unserer Wahrnehmung Wurzeln treibt und wir anfangen, nur noch über Menschen zu sprechen und nicht mehr mit ihnen.
Frieden ist und bleibt ein Thema für uns, weil wir spüren, dass die Botschaft der Versöhnung Christi in unsere Zeit hineingesprochen werden muss, weil wir spüren, dass die zunehmende Spaltung in unserer Gesellschaft uns in unserer Haltung als Christinnen und Christen herausfordert. In vielen Gesprächen im Anschluss an die Verabschiedung unseres Zwischenrufes haben viele von der frustrierenden Erfahrung gesprochen, sich an den großen militärpolitischen und friedenspolitischen Fragestellungen abzuarbeiten. Nachvollziehbar wurde oft gesagt, dass das Thema zu komplex ist und das Wissen zu gering. Daher möchte ich unseren Blick von der großen weltpolitischen Bühne auf die Bretter lenken, die wir aktiv bespielen und gestalten können – unser Gemeindeleben.
Unsere Überzeugung, dass wer aus der Versöhnungstat Jesus Christi lebt, keine Feindschaft zwischen Menschen ertragen kann, hat zuallererst Konsequenzen für die Weise, wie wir in diesen Zeiten die Gemeinde Jesu Christi vor Ort gestalten: Ich glaube, wir haben die Aufgabe jeweils in unseren lokalen Bezügen Foren zu ermöglichen, wo mit einander gesprochen und über die Herausforderungen unserer Gesellschaft diskutiert wird – nicht nur gemeindeintern sondern mit so vielen relevanten Gruppen vor Ort wie möglich.
Zunehmend kritisch beobachte ich auch, wie nicht das Gespräch mit religiösen Minderheiten gesucht wird, sondern auch wie der Diskussionsfaden mit politisch Konservativen immer dünner wird und zu reißen droht. Ich befürchte, wir tragen in unguter Weise zur Spaltung bei, wenn wir einander zu schnell in extreme Schubladen verbannen und die Diskussion, den Austausch von Argumenten unmöglich machen. Die gesellschaftlichen Spaltungen verlaufen quer durch unsere Gemeinden und es bleibt eine Aufgabe, an ihrer Überwindung zu arbeiten. Der Einsatz für den Frieden in unserem gesellschaftlichen Umfeld ist ein lebendiger Ausdruck unseres Glaubenslebens.
Lassen Sie uns dabei unser Licht nicht unter den Scheffel stellen: Wir können auf einen reichen Erfahrungsschatz in der Kirche zurückgreifen. Toleranz muss eingeübt werden und wenn wir es ernst meinen, dann geht damit ein Ringen um einen gemeinsamen Weg einher und nicht schweigendes und voneinander abgewandtes Ertragen. Es lohnt sich, unsere Gemeinden zu Orten zu gestalten, in denen mit einander um Lösungen für die Herausforderungen gesucht werden. Die Probleme bezahlbaren Wohnraum in Ballungsgebieten zu finden, der demographische Wandel vor allem im ländlichen Raum und auch die Herausforderungen, die Flucht und Migration für das gesellschaftliche Zusammenleben mit sich bringen. Für diese Themen können wir Begegnungsräume schaffen und ausbauen. Gemeinden können zu Orten werden, wo miteinander gerungen wird ein Zeichen gegen die auseinanderstrebenden Kräfte in unserer Gesellschaft gesetzt werden.
Mit unseren Kirchtürmen wollen wir ja nicht einen pittoresken Beitrag zur Silhouette der Stadt leisten, in der wir leben: Wir wollen sie mit unserer Botschaft der Versöhnung prägen. Dass mit lokalen, partizipativen Diskursen ein wesentlicher Beitrag zur Stärkung der Demokratie geleistet werden kann, hat u.a. Jürgen Wiebicke in seinem Büchlein „10 Regeln für Demokratieretter“ deutlich gemacht. Das sollte uns ermutigen.
Lassen Sie mich allerdings auch die Grenzen eines jeden Gesprächs deutlich machen: nämlich dort wo die Würde, die Gottesebenbildlichkeit des Menschen in Frage gestellt wird, kann es von unserer Seite nur Widerstand geben.
In einer Zeit, in der es tosende Zustimmung für diejenigen gibt, die rhetorische und politische Sprengsätze an die mühsam erbauten Brücken der Versöhnung bringen, sind wir gut beraten den ökumenischen Austausch zu stärken und die Handwerkerinnen und Handwerker zu stärken, die diese Wege des Friedens bauen.
In einer Zeit, in der die radikalen Kräfte der Rechten europäisch und global bestens vernetzt sind, gilt es sich der friedensstiftenden Gestalt unseres Netzwerks der Kirchen bewusst zu werden. In besonderer Weise ist mir das in unserem europäischen Kontext wichtig. Die ideelle und finanzielle Unterstützung der Flüchtlingsarbeit in Budapest, die wir im vergangenen Sommer mit in Gang gesetzt haben, ist ein exemplarisches Beispiel hierfür. Die Solidarität der Kirchen untereinander erschöpft sich nicht in der bloßen Spendenaktion, sondern im Bekanntmachen der Arbeit vor Ort und der Stärkung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ungarn, die unter ganz anderen gesellschaftlichen Bedingungen arbeiten müssen. Stärkung durch Berichterstattung, Stärkung dadurch, dass Gemeinden die Menschen im Projekt in ihre Fürbitte eingeschlossen haben. Lasst uns diese Wirkung nicht unterschätzen.
Es lohnt sich in diesen Austausch zu investieren und so haben wir in Zusammenarbeit mit dem europäischen Gebiet der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen eine europäische Tagung ins Leben gerufen, auf der wir dem Thema nachgehen wollen: „Zwischen Zeitung und Bibel. Was heißt es, Christus in Europa heute zu bekennen?“ Anhand der Impulse aus der Theologie Karl Barths sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus West- und Osteuropa miteinander ins Gespräch kommen und einander zuhören. Ein spannendes Projekt, dass durch die Zusammenarbeit mit dem Karl-Barth-Beauftragten Dr. Johannes Voigtländer und der Präsidentin des Europäischen Gebietes Martina Wasserloos-Strunk als Mitglied des Moderamens so möglich wurde.
Das auf der vergangenen Hauptversammlung verabschiedete Friedenspapier ist auf eine grundsätzlich positive Resonanz gestoßen und es wurde meiner Einschätzung nach an vielen Orten rezipiert. Mit wenig Begeisterung kann man im Abstand von zwei Jahren sehen, dass einige der in diesem Papier beschriebenen Analysen und die in der Folge hiervon zum Ausdruck gebrachten Befürchtungen eingetreten sind. So wenig das einen in der Sache zufrieden stellen kann, so sehr zeigt es, wie gründlich und sachkundig das damalige Vorbereitungsteam gearbeitet hat.
In den vergangenen Jahren habe ich an verschiedenen Orten und vor sehr unterschiedlichem Publikum die Möglichkeit bekommen, das Friedenspapier vorzustellen und mit Mitgliedern und Gemeinden ins Gespräch zu kommen. Pfarrkonvente und Gemeindekreise gehörten dazu. Die Resonanz auf die Kerngedanken des Papiers und die Reichweite der Veranstaltungen stehen dabei in einem proportional umgekehrten Verhältnis. Während wir mit unserem Friedenspapier 2017 zu den ersten innerhalb der EKD gehörten, die eine theologische Standortbestimmung vorgenommen haben, haben nun im Vorfeld der im November stattfindenden EKD-Synode fast alle Gliedkirchen sich in unterschiedlichster Weise der Thematik angenommen und haben zum Teil synodale Prozesse zum Thema Frieden gestartet.
War das Aufgreifen der Friedensthematik des ersten Friedenswortes des Reformierten Bundes in den 80er Jahren ein Thema, das auf der Straße diskutiert wurde, ja Menschen zu Hunderttausenden auf die Straße und zu Kundgebungen trieb, stellt sich die Lage heute gänzlich anders dar: Die Kirchen sind zu eine Art Hüterin eines Themas geworden, das gesellschaftlich zurzeit nur wenig bis keine Resonanz findet. Ich beobachte, dass das Sommerloch mit der Frage nach kostenlosen Bahntickets vor Soldatinnen und Soldaten gestopft wurde. Die hitzige Debatte darüber steht in keinem Verhältnis zu der gesellschaftlichen und medialen Gleichgültigkeit bis hin zu Ignoranz gegenüber aktuellen, demokratisch legitimierten Einsätzen der Bundeswehr und ihrer strategischen Aufstellung.
In einer kleinen Arbeitsgruppe haben wir den Arbeitsauftrag der Hauptversammlung aufgegriffen, weiter am Friedenspapier zu arbeiten mit dem Ziel, zu jedem Leitsatz des Papiers Material zur Weiterarbeit zur Verfügung zu stellen. Zum Teil ist das bereits gelungen – zum Teil stehen hier noch Materialien aus. Allen, die hieran mitgearbeitet haben, möchte ich herzlich danken – auch Mechthild Gunkel, die lange Zeit als Friedensbeauftragte dieses Thema für uns vertreten hat.
Fühlt man den Puls Zeit, dann treibt in diesen Tagen weniger die Frage nach Frieden als vielmehr die Frage nach Klimaschutz und Bewahrung der Schöpfung die Menschen um und auf die Straße. Ein Thema, das gewiss nicht neu ist, aber nun sind die Auswirkungen des Klimawandels direkt erfahrbar. Ich denke, es wird uns guttun, sich damit auseinander zu setzen und unseren Beitrag dazu zu leisten. Dabei wird es sich lohnen sich bewusst zu machen, wie das Thema Klima unmittelbar mit den Fragen von Gerechtigkeit und Frieden verbunden ist – Themen, bei denen es sich lohnt, m.E. in die vielfältige Arbeit der Weltgemeinschaft und der anderen ökumenischen Gemeinschaften zu blicken und sich weiter zu vernetzen. Das diesjährige Thema der Friedensdekade „Friedensklima“ mag uns da inspirieren.
In einer Zeit, in der ein 16-Jähriges Mädchen symbolisch den Atlantik mit dem Segelboot überquert, um ein sichtbares Zeichen für den Klimaschutz zu setzen, müssen wir uns kritisch Fragen, ob und wo zeichenhaftes Handeln für uns auch angesagt ist. Ich sehe die Gefahr, dass wir durch zu langes Abwägen, im öffentlichen Diskurs nicht mehr wahrgenommen werden.
Kurzum: Als Kirchen werden wir uns zu dieser Thematik verhalten müssen, in dem wir Solidarität zeigen, anfangen umzudenken im eigenen Handeln und die Perspektiven zu dieser Thematik öffnen. Was haben wir hierzu zu sagen? Ich glaube es ist mehr als das Nachsprechen, der bekannten und richtigen ethischen Forderungen, nach mehr Klimaschutz. Es geht darum, wie wir als Christenmenschen diese brennenden Fragen unserer Zeit angehen. WIe kann „Kirche“ in Wort und Tat, mit ihrem Glauben und mit ihren Lebensäußerungen Zeuge des lebendigen Gottes sein, dem Schöpfer des Himmels und der Erde. Es ist nicht unsere Aufgabe im „überhöhten Ton vom Menschen zu sprechen“, wie es Karl Barth einmal formulierte, sondern von Gott, der sich selbst mitteilt. Womit ich gerne zu meinem zweiten Punkt kommen möchte:
„Gott trifft Mensch“ unter diesem Motto haben wir im Dezember des vergangenen Jahres das sogenannte Karl-Barth-Jahr am 10. Dezember 2018 – dem 50. Todestags Barths - in Basel eröffnet. Mit der Verleihung des von der Union Evangelischer Kirchen (UEK) gestifteten Karl-Barth-Preises an den Baseler Rechtsanwalt Bernhard Christ, wurde eine der prägenden Wirkungen von Karl Barths Theologie deutlich: Sie ist nicht ausschließlich an akademische Theologinnen und Theologen gerichtet. Barths Begabung war es, Christenmenschen mit seiner Theologie zu begeistern und sie selbst zu eigenständig denkenden Theologinnen und Theologen zu befähigen. Karl Barth, ein Theologe, der den Dialog mit vielen suchte und es nicht nur verstand, viel zu schreiben, sondern seine Theologie für viele verständlich zu machen. Damit hat er Menschen in vielen Ländern dieser Erde erreicht und Biographien geprägt.
Den historischen Anlass für dieses Jubiläum bietet das 100. Jubiläum seines Römerbriefkommentars und sein Tambacher Vortrag, der sich just in diesen Tagen zum 100. Mal jährt. Das Ziel dieses Jahres war klar gesteckt: Anstöße in der Theologie Karl Barths für die Herausforderungen unserer Zeit zu finden, vor die wir als Kirche Jesu Christi gestellt sind. Verantwortlich für die Idee dieses Jahres ist Generalsekretär Dr. Achim Detmers, dem ich an dieser Stelle herzlich danken möchte und Dr. Johannes Voigtländer, der mit der richtigen Mischung von profundem Wissen, Herzblut und Engagement Projekte entwickelt und durchgeführt hat. Auch für die Administration, die organisatorische Begleitung der Roll-up Ausstellung möchte ich dem Team der Geschäftsstelle – Frau Maronde und Frau Blum meinen herzlichen Dank aussprechen.
Entgegen manch kritischer Einschätzung im Vorfeld hat sich gezeigt, dass sich zahllose Gemeinden und Institutionen mit Veranstaltungen an dem Jahr beteiligt haben. Predigtreihen, Veranstaltungen der Erwachsenenbildung und Lesekreise in Gemeinden wurden flankiert durch große zentrale wissenschaftliche Tagungen, die in vielen von Karl Barths biographischen Lebensstationen verortet waren.
Aus meiner Sicht wird damit zweierlei deutlich: Genuin theologische Themen treffen auf ein Interesse und einen Bedarf an gemeinsamem Nachdenken in den Gemeinden. Und: Ein thematischer Impuls wird von vielen Gemeinden aufgenommen und eigenständig weiter entwickelt. Ich bin gespannt, ob und wie die Beschäftigung mit der Barthschen Theologie Früchte tragen wird in den Gemeinden und Kirchenräten. Denn gerade weil Barth seine Theologie als eine Funktion der Kirche verstanden hat, stellt er die Kirche heute zugleich auch in Frage. Für die Kirchen und nicht zuletzt für ihre Leitungen war und ist Karl Barth ein unbequemer und streitbarer Denker.
Angestoßen vom Reformierten Bund wurde das Projekt von der Union Evangelischer Kirchen, der Evangelischen Kirche in Deutschland und auch dem Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund getragen und hat eine breite Ressonanz erfahren.
Im Lichte dieses gelungenen gemeinsamen Projektes möchte ich einen Blick auf die Verortung des Reformierten Bundes innerhalb der Evangelischen Kirchenlandschaft und sein Entwicklungspotential werfen. Zunächst macht das Projekt deutlich, wo der Reformierte Bund steht: Als integrierter Teil der Kirchengemeinschaften in Deutschland. Der Bund ist in der Lage, quer über landeskirchliche Grenzen hinweg Themen zu platzieren. Dabei kommt er seiner Selbstbeschreibung als Agentur für Reformierte Theologie nach: Es wird ein theologischer Impuls gesetzt, der im reformierten Spektrum der protestantischen Farbskala zu finden ist und bringt ihn in die gesamte evangelische Kirchengemeinschaft ein.
Das geschieht „politisch“ durch die Arbeit des Moderators oder der Moderatorin in den Gremien der Kirchenkonferenz und dem UEK-Präsidium aber auch sehr praktisch durch direkte Kommunikation mit den Mitgliedsgemeinden und Einzelmitgliedern durch die Geschäftsstelle. Das Karl-Barth-Jahr zeigte im Besonderen, wie dieses Thema weit über ein konfessionell enggeführtes Spektrum aufgenommen und bearbeitet wurde. Damit ein solches Projekt gelingt, ist profunde inhaltliche Vorarbeit nötig. Hinzu treten aber auch eine grundlegende Kommunikation des Projektes und die Ermöglichung der Partizipation von unterschiedlichsten Akteuren im Projekt.
Neben dem Aspekt der Agentur für reformierte Theologie und Frömmigkeit, die Ideen und Material generiert und in Umlauf bringt, sollte aus meiner Sicht zunehmend das Selbstverständnis des Reformierten Bundes als Netzwerk treten. Denn das ist er letztlich: Ein Netzwerk aus engagierten und ansprechbaren Personen, Gemeinden und Landeskirchen, denen die reformierte Form des Theologisierens und Kircheseins am Herzen liegt. Im Moderamen, bei den verschiedenen Beauftragungen und in unterschiedlichen Arbeitskreisen sind viele mit viel Engagement ehrenamtlich dabei. Ich bin dankbar, das erlebt haben zu dürfen und sehe hier auch noch Potenzial für das, was man unter dem Begriff „networking“ fasst. Der reformierte Bund, indem er sich als Netzwerk versteht, lädt zur Partizipation ein und kann leichtfüßiger mit territorialen landeskirchlichen und manchen konfessionellen Grenzziehungen umgehen und Projekte wagen- anders als dies festgefügten Institutionen gelingen kann. Das Barth-Jahr ist ein solches Beispiel hierfür.
Meine gesamte Amtszeit als Moderator und besonders die letzten zwei Jahre sind von der kontinuierlichen Frage nach einer mittel- bis langfristig auskömmlichen Finanzierung des Reformierten Bundes bestimmt gewesen. Eine belastende und immer wieder an die Existenz des Bundes gehende Frage, die in besonderer Weise unsere hauptamtlich Mitarbeitenden umgetrieben hat. Strukturell sollte die Gründung einer eigenen Körperschaft des öffentlichen Rechts, des „Reformierten Bundes in der EKD“ zur Sicherung einer finanziellen Stabilität beitragen. Mit der Zusicherung von jährlichen Zuweisungen der unierten Kirchen aus dem Rheinland, Westfalen, Bremen und Hessen Nassau über diese erste Zeit, konnte das bisher immer erreicht aber leider noch nicht verstetigt werden. Ein Zustand, der Kräfte bindet und nach vorne gerichtete Arbeit sehr erschwert.
Angeregt durch die Initiative der unierten Kirchen laufen seit dem Herbst 2017 Gespräche mit der Union Evangelischer Kirchen, die eine engere auch strukturelle Zusammenarbeit des Reformierten Bundes als Körperschaft in der UEK ausloten. In der Union Evangelischer Kirchen, deren Selbstverständnis sich in dem Satz „Gemeinsam Evangelisch sein“ beschreiben lässt, erlebe ich ein großes Interesse sowie eine große Wertschätzung reformierter Theologie. In diversen Projekten und der täglichen Arbeit ist die Zusammenarbeit bestehende und geübte Praxis. Aus der Sicht der Unierten Kirchen wurde verschiedentlich deutlich, dass eine strukturelle Stärkung der reformierten Stimme in der UEK im gemeinsamen Verbindungsmodell der EKD wünschenswert ist.
Das Interesse, einen guten, gemeinsamen Weg zu finden, ist bei den Gesprächspartnerinnen und -partnern deutlich. Ich sehe die Chancen für den Reformierten Bund darin, unmittelbarer in Prozesse innerhalb der EKD eingebunden zu werden und die reformierte Stimme selbstverständlich in die Diskussion einzubringen. Der Entwurf zur Taufagende, der zur Prüfung und Rückmeldung in den Landeskirchen seit diesem Jahr zur Prüfung kursiert, ist ein prägnantes Beispiel dafür, dass es für das gemeinsame Evangelisch-Sein gut ist, auch eine reformierte Stimme zu integrieren – auch aus der Sicht von lutherischen Geschwistern, die sich bei mancher Formulierung und theologischen Gewichtung dieses liturgischen Entwurfes die Augen gerieben haben.
Ich persönlich habe die UEK als Gast im Präsidium sehr schätzen gelernt, die Arbeit des theologischen Ausschusses für die UEK dort als sehr bereichernd erfahren. Im Übrigen sei hier erwähnt, dass es sich hierbei meist um Gremien und Arbeitsausschüsse handelt, in denen zahlreiche unserer Mitglieder sitzen. Bei den Überlegungen, den Reformierten Bund als Körperschaft strukturell näher an die Arbeit der Union Evangelischer Kirchen heran zu bringen oder zu integrieren, verfolgen wir eine Denkrichtung, die bereits bei der Gründung der Körperschaft eine Rolle spielte: Die Körperschaft hat in ihrer Gestalt die Funktion eines Mediums, das reformierte Theologie und Interessen in die EKD /UEK einspeist. Das Moderamen ist dabei, einen guten Weg auszuloten und in diesem Herbst die Gespräche fortzusetzen um zweierlei zu erreichen: Die Arbeit des Reformierten Bundes auf Dauer zu sichern und die reformierte Stimme im Konzert der Kirchengemeinschaft zu stärken.
Eines ist mir wichtig: Bei all diesen kirchenpolitischen Überlegungen darf der Reformierte Bund als Verein in seiner Arbeit nicht unter die Räder kommen. Im Gegenteil: Seine Stärke als Agentur und Netzwerk für Reformierte Theologie und Frömmigkeit liegt in dieser einzigartigen Zusammensetzung von Einzelmitgliedern, Gemeinden und Landeskirchen. Das macht ihn lebendig und offensichtlich attraktiv. Eine vergleichsweise bemerkenswert konstante Mitgliederzahl und immer neue Eintritte sind ein Beleg für das Interesse. Der Bund zeichnet sich darin aus, dass man hier „out of the box“ Theologie treiben und Kirche denken kann.
Dieser in der Sache einzigartige Gemeindebezug verbunden mit der besonderen Scharnierstellung zur Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen als großer reformierter und unierter Kirchengemeinschaft ist ein Potenzial, das in die Zusammenarbeit bereits jetzt eingebracht wird und sich zukünftig weiter entfalten kann. Alle Überlegungen zu einer engeren strukturellen Zusammenarbeit mit der UEK bis hin zur Integration der Körperschaft, darf dieses nicht aus den Augen verlieren. Der Kern, wofür wir als Hauptversammlung und Moderamen verantwortlich sind, ist der seit 135 Jahren bestehende Verein des Reformierten Bundes in Deutschland, der durch die Körperschaft als ein in ihrer rechtlichen Form geeignetes Medium die kirchenpolitischen Themen und Projekte einbringt.
Diese Verhältnisbeschreibung dieser beiden rechtlichen Formen muss noch weiter entwickelt und mit Leben gefüllt werden. Eines allerdings möchte ich ausdrücklich sagen: Eine intensive Beschäftigung mit der internen Beziehungsstruktur zwischen Körperschaft und Verein wird den Verein nicht weiter bringen – im Gegenteil. Thematisch ist es an Langeweile und Irrelevanz nicht zu überbieten und inhaltlich trägt es für die Arbeit des Bundes nichts aus. Ich empfehle, dass einzelne divergierende Auffassungen in Fragen der Repräsentanz des Reformierten Bundes als Verein oder Körperschaft zügig geklärt und dann mit nicht minderer Geschwindigkeit zu den Akten gelegt werden. Das führt mich sogleich zu meinem letzten Punkt:
Sehr geehrte Damen und Herren,
es war mir eine Ehre, in Ihrem Auftrag den Reformierten Bund vertreten zu dürfen - ihm Gesicht und Stimme zu geben. Ich habe es sehr gerne gemacht, weil mich die Arbeit des Bundes, das Engagement von so vielen denen ich in diesem Kontext begegnet bin, begeistert und ich meinen Teil in den vergangenen Jahren dazu beitragen wollte, die Arbeit des Bundes zu entwickeln und über die Schwelle des Generationenwechsels an der Spitze des Bundes zu bringen. Weil ich diese Aufgabe mit viel Herzblut angegangen bin und versucht habe dieses Amt entsprechen auszufüllen, ist mir die Entscheidung, zur Mitte der gewählten Amtszeit aufzuhören, nicht leicht gefallen. In den vergangenen Jahren habe ich gerne viel Zeit und Energie in diese Aufgabe investiert.
Ich habe es als Privileg empfunden, in verschiedenen Gemeinden zur Predigt oder zum Vortrag eingeladen worden zu sein, auf Synoden im In- und Ausland Grußworte zu halten und dort über die Themen der Zeit miteinander ins Gespräch zu kommen. Ich habe eine bereichernde Vielfalt des reformierten Protestantismus erlebt. Als reines Ehrenamt lief meine Aufgabe parallel zu meiner normalen Pfarrstelle, was nicht immer einfach war aber dann erschwert wurde durch meine dienstliche Umorientierung, als die Beauftragung zur Projektleitung des Reformationsjubiläums in der Evangelischen Kirche im Rheinland zu Ende ging. Sicherlich: Ein großes Ehrenamt neben dem Hauptberuf zu stemmen war noch nie eine einfache Aufgabe. Aber eines befürchte ich: Es ist nicht leichter geworden.
Wir erleben eine Verdichtung der Arbeit, einen Abbau von Stellen im Pfarrdienst und die Herausforderung, Familienleben mit zwei arbeitenden Eltern zu koordinieren. Das klassische Bild, bei dem der Pfarrer mit seiner Familie jeden Mittag zu Tisch sitzt und so die Abwesenheiten an anderen Zeiten des Tages kompensiert, wird mir manches mal noch skizziert und das mag es auch noch geben. Doch bei den meisten in meinem Umfeld wäre es ein recht einsames Mittagessen, weil die Kinder in der Schule sind und die Partnerin arbeitet. Die Frage nach der Koordinierung eines solchen Ehrenamtes und die Vereinbarkeit mit dem Hauptberuf, kann und darf nicht alleine die Sache des oder der Betroffenen sein.
Mit der Übernahme der Leitung des Evangelischen Forums, des Evangelischen Erwachsenenbildungswerkes in Bonn und Schnittstelle zwischen Kirche und Gesellschaft, wurde mir sehr deutlich, dass ich meine Investitionen in das Amt des Moderators deshalb überdenken muss. Die Konsequenzen meiner Abwesenheit bedingt durch das Moderatorenamt wären wieder gänzlich vom neuen Aufgabengebiet zu tragen gewesen und die Konsequenzen der Mehrarbeit an mir persönlich hängen geblieben. Kurzum: Allein die äußeren Rahmenbedingungen sind mehr als Grund genug für meine Entscheidung.
Wenn wir aber in dem Amt des Moderators oder der Moderatorin auch einen gestalterischen Auftrag sehen – und so verstehe ich es - und damit mehr meinen, als die Beauftragung zur Leitung von drei bis vier Moderamenssitzungen im Jahr, wünsche ich meiner Nachfolgerin oder meinem Nachfolger Strukturen im jeweiligen landeskirchlichen Setting wie auch im Reformierten Bund selbst, die das Ausüben dieses Amts ermöglichen.
Sie waren als Hauptversammlung mutig, als Sie mich vor über vier Jahren mit Mitte dreißig zu Ihrem Moderator gewählt haben. Der Vertrauensvorschuss, den mir die damalige Hauptversammlung in Villigst gegeben hat, hat mich auch in diesem Amt getragen. Zugleich gehe ich aus diesem Amt im Wissen darum, dass ich in den meisten Gremien und Arbeitsgruppen auch vier Jahre später teilweise mit großem Abstand als Jüngster gehe.
Das stimmt mich nachdenklich und ich bedauere, dass mir die Zeit und letztlich die Möglichkeit des kontinuierlichen „Dranbleibens“ fehlte, das Projekt „Next Generation“ umzusetzen, in dem wir junge, im Reformierten Bund engagierte Menschen aktivieren und Projekte entwickeln lassen. Ich glaube, dass wir bei aller guten und berechtigten Reflexion unserer hochgehaltenen Theologiegeschichte, sei es anhand der Reformation, Barmens oder Karl Barths, sensibel für die Fragen der Zeit zu sein haben und uns mutig in die von der Theologiegeschichte noch nicht vollständig kartographierten Bereiche wagen müssen. Die Fragen, die die Veränderungen nicht nur im Klima und unserem Verhältnis zu Ressourcen ergeben werden uns zu einer Haltung heraus fordern. Auch die Fragen im rapiden gesellschaftlichen Veränderungsprozess, der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz werden uns zur Beschäftigung zwingen.
Die Themen hängen zusammen und es ist eine Aufgabe theologischer Existenz – reformierter zumal, die von Karl Barth einmal als „herrenlosen Gewalten“ beschriebenen Mächte, die wir darin am Werke sehen, zu benennen. Dazu müssen wir sie identifizieren – mit theologisch wachem Geist und Gebet – und wir müssen sie verstehen, ihren Reiz kennen, ihre Wirkweise durchschauen und das werden wir nicht ohne den offenen Dialog gerade mit der Generation U40 tun müssen.
Der Reformierte Bund ist etwas Besonderes. Und ich möchte mich bei allen bedanken, die mich im Moderamen bei meiner Arbeit unterstützt haben, allen voran meinen Vertretern, dem Lippischen Landessuperintendenten Dietmar Arends und dem Kirchenpräsidenten Martin Heimbucher. Ich bedanke mich bei meinem Vorgänger Peter Bukowski und Jörg Schmidt, die nicht nur als geografisch nahe Personen auf Anfrage immer zur Stelle waren. Dem Generalsekretär Dr. Achim Detmers danke ich für seinen großen und intensiven Einsatz für die Belange des Reformierten Bundes und natürlich möchte ich mich auch beim Team der Geschäftsstelle, Doris Maronde, Christine Blum, Isabel Metzger, Johannes Voigtländer und Klaus Vogler für die Zusammenarbeit bedanken.
Zum Schluss danke ich meiner Frau und meinen vier Kindern, die mich immer in meinem Ehrenamt unterstützt haben.
Vielen Dank für Ihre Geduld und Aufmerksamkeit.