Angst kann viele Ursachen haben und sich unterschiedlich auswirken. Hier geht es vor allem um die Angst, die durch den internationalen Terrorismus kalkuliert erzeugt wird. Seit 9/11 ist deutlich, dass der politisch oder religiös motivierte Terrorismus nicht nur in Kriegs- und Krisengebieten Menschen zu Opfern macht, sondern auch in unsere westlichen Gesellschaften eingezogen ist.
Es gehört zum Kalkül des Terrorismus, Menschen zu verunsichern. Manche reagieren mit Hysterie. Einige verändern ihre Lebensgewohnheiten und meiden öffentliche Großveranstaltungen oder Plätze. Zugleich muss man zwischen rational begründeten Ängsten, subjektiv empfundenen Ängsten und durch Medienberichterstattung oder politische Interessen inszenierten Ängsten unterscheiden. Und: Es bleibt wichtig, sich das Kalkül mit Angst und Hysterie klarzumachen und seine Mechanismen zu durchschauen. Denn das ist ein erster Schritt zur Überwindung der Angst durch eine „widerständige Besonnenheit“.
Der Soziologe Heinz Bude schreibt im Buch „Gesellschaft der Angst“ (Hamburg 2014):
„Ein wichtiger Erfahrungsbegriff der heutigen Gesellschaft ist der Begriff der Angst. Angst ist hier ein Begriff für das, was die Leute empfinden, was ihnen wichtig ist, worauf sie hoffen und woran sie verzweifeln. In Begriffen der Angst wird deutlich, wohin die Gesellschaft sich entwickelt, woran Konflikte sich entzünden, wann sich bestimmte Gruppen innerlich verabschieden und wie sich mit einem Mal Endzeitstimmungen oder Verbitterungsgefühle ausbreiten. Angst zeigt uns, was mit uns los ist.“ (10)
„In modernen Gesellschaften ist Angst ein Thema, das alle angeht. […] Auch von der Sache her sind die Ängste zahllos: Schulängste, Höhenängste, Verarmungsängste, Herzängste, Terrorängste, Abstiegsängste, Bindungsängste, Inflationsängste. Schließlich kann man in jede Richtung der Zeit Ängste entwickeln: Man kann Ängste vor der Zukunft haben, weil bisher alles so gut geklappt hat; man kann jetzt im Moment Angst vor dem nächsten Schritt haben, weil die Entscheidung für die eine immer auch eine Entscheidung gegen eine andere Variante darstellt; man kann sogar Angst vor der Vergangenheit haben, weil etwas von einem herauskommen könnte, worüber längst Gras gewachsen ist.“ (11)
„Es war der bis heute als Staatsmann bewunderte Franklin D. Roosevelt, der das Thema der Angst und die Strategie der Angstabsorption auf die politische Agenda des zwanzigsten Jahrhunderts gesetzt hat. In seiner Antrittsrede als 32. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika fand er am 3. März 1933 nach den schrecklichen Jahren der ‚Großen Depression‘ die Worte, die eine neue Politik begründen sollten: ‚The only thing we have to fear is fear itself.‘ Freie Menschen sollen keine Angst vor der Angst haben, weil das ihre Selbstbestimmung kosten kann. Wer von Angst getrieben ist, vermeidet das Unangenehme, verleugnet das Wirkliche und verpasst das Mögliche. Angst macht die Menschen abhängig von Verführern, Betreuern und Spielern. Angst führt zur Tyrannei der Mehrheit, weil alle mit den Wölfen heulen, sie ermöglicht das Spiel mit der schweigenden Masse, weil niemand seine Stimme erhebt, und sie kann panische Verwirrung der gesamten Gesellschaft mit sich bringen, wenn der Funke überspringt. Deshalb, so sollte man Roosevelt verstehen, ist es die erste und vornehmste Aufgabe staatlicher Politik, den Bürgern die Angst zu nehmen.“ (15)