Romeo und Julia in Ruanda:
Ein Tutsi Mädchen liebt einen Hutu.
Längst ist die ethnische Unterscheidung offiziell verboten,
aber in den Köpfen Vieler lebt sie immer noch fort
Die Eltern beider sind gegen die Heirat,
wider Willen werden sie zu Verbündeten
gegen die Liebe,
gegen ein neues Ruanda.
Was wird aus dem Paar?
Die Kirche ist aus Bambus und Gras,
ringsherum armselige Hütten
Dort wohnen Witwen und Waisen des Genozids,
aber auch entlassene Mörder,
Menschen, für die niemand sorgt.
Aber ein Doktor der Theologie
hat gerade sie als seine Gemeinde gewählt.
Darauf sind sie stolz.
Drei Chöre singen im Gottesdienst,
und nach der Predigt tritt eine Frau vor,
am Arm eine schwere Tasche.
Sie dankt Gott,
dass sie noch am Leben ist
und bringt 3 kg Bohnen.
Eine andere bringt 1 kg Reis.
Geld haben sie nicht,
aber was sie haben, wollen sie geben.
Sie geben reichlich
Und preisen den Herrn für seine Güte.
Auf den Reisfeldern
arbeiten viele Männer
in orangener Häftlingskleidung,
unter ihnen auch Mörder des Genozids.
Abends kehren sie in langen Kolonnen
zurück ins Gefängnis.
Ich forsche in ihren Gesichtern
nach Spuren unmenschlicher Grausamkeit,
und sehe nur Menschen.
Anisi hat überlebt.
Sie ist die einzige aus ihrer Familie
und aus ihrem Dorf.
Sie war nicht zu Hause als die Schlächter kamen,
und alle erschlugen,
die in der Kirche Schutz gesucht hatten.
Nun kehrt Anisi einmal im Jahr zurück
in das Nachbardorf.
Sie fragt die Kinder:
„Warum wohne ich nicht mehr hier?“
„Weil du hier niemanden mehr hast“,
antworten sie.
„Und warum kehre ich zurück?“
Die Kinder schweigen.
„Wegen der Liebe, die den Hass überwindet.
Sie ist der Schlüssel zu unserer gemeinsamen Zukunft.“
Die Kinder lachen.
Auch in Ruanda will man schnell sein.
Die kleinen weißen Busse voller schwarzer Gesichter
rasen blinkend und hupend
über die Straßen
und legen sich so steil in die Kurven,
dass sich vielen Passagieren
der Magen umdreht.
Motorradtaxis schlängeln sich halsbrecherisch
durch den Verkehr,
und Fahrradfahrer halten sich an den Hügeln bergauf
an Lastwagenklappen fest.
Bergrunter überholen sie ihre Zugmaschinen
mit triumphierendem Lachen.
Sylvia Bukowski, 18. Februar 2014
Boda Boda in Kigali; Foto: Dylan Walters/Wikipedia Commons
Straße zwischen Kigali und Nyamata; Foto (2007): Dave Proffer/Wikipedia Commons