Die Liturgie des Abendmahls

Einleitender Text aus der Reformierten Liturgie


Brot und Wein werden bei der reformierten Abendmahlsfeier immer beide an die Teilnehmenden verteilt © Pixabay

Die Formenvielfalt reformierter Abendmahlsfeiern ist spannend und lehrreich. Wie oft Abendmahl feiern? In welcher Form? Und was hat es mit der immer noch verbreiteten reformierten Abendmahlsscheu auf sich?

In der frühen Christenheit war die Versammlung der Gemeinde nach allem, was wir wissen, durchgängig mit dem »Brotbrechen«, also der Feier des Mahles verbunden, das Jesus Christus eingesetzt hat. Der Wunsch Calvins, dass das Abendmahl jeden Sonntag gefeiert werde, hat sich in den reformierten Kirchen nicht durchgesetzt. Die Kasseler Ordnung von 1539 sieht vor, dass an jedem Sonntag wenigstens in einer der Kirchen der Stadt das Abendmahl gefeiert wird.

Die Pfälzer Ordnung von 1563 sah eine monatliche Abendmahlsfeier als Mindestmaß vor, jedenfalls in den Städten. Weithin war es jedoch üblich geworden, dass das Abendmahl nur an den christlichen Hochfesten Weihnachten, Karfreitag, Ostern und Pfingsten und dazu an einem Sonntag im Herbst gefeiert wird. Erst in neuerer Zeit ist es vielerorts gelungen, die Zahl der Abendmahlsfeiern im Jahr zu erhöhen. Diesem Bestreben steht die noch immer in manchen Gemeinden lebendige, in der Zeit des Pietismus entstandene »Abendmahlsscheu« im Wege. Vielerorts wirkt noch die Einengung der Abendmahlsgemeinde auf die »wahrhaft Gläubigen« und (moralisch) Untadeligen nach.

Fast durchweg wird die Mahlfeier inzwischen innerhalb des Gottesdienstes und nicht »im Anschluss« an ihn gehalten. Sie hat im Gottesdienst nach der Predigt ihren Ort. Die Form der Mahlfeier ist verschieden.Die reformierte Tradition bevorzugte die »wandelnde Kommunion «: Die Abendmahlsgäste treten nacheinander an den Tisch und empfangen dort Brot und Wein. Aus Zürich stammt der Brauch, dass die Gemeinde zur Mahlfeier in den Bänken sitzen bleibt und dort kommuniziert; ursprünglich hat sie dazu gekniet oder, später, gestanden.

Aus dem Wirkungskreis Johannes a Lascos, also aus der Londoner Fremdengemeinde und aus Ostfriesland kommt die Form, das Mahl an Tischen sitzend zu feiern, wobei die Teilnehmenden einander Brot und Wein zureichen. Eine inzwischen häufig anzutreffende Form der Mahlfeier ist die »stehende Kommunion«: Die Mahlgemeinde steht im (Halb-) Kreis um den Abendmahlstisch; die Gemeindeglieder reichen Brot und Wein einander zu. Häufig wird Traubensaft statt Wein verwendet.

Vielerorts wird heutzutage das Mahl mit »Einzelkelchen« gefeiert, oder Gemeinschaftskelch und Einzelkelche werden abwechselnd verwendet. Auch die Praxis der Intinctio wird geübt, um an der »Kommunion unter beiderlei Gestalt« auch angesichts des veränderten Empfindens der Menschen festzuhalten. Die Intinctio erfordert allerdings die der reformierten Tradition fremde Verwendung von Oblaten.

Die Leitung der Abendmahlsfeier liegt beim Presbyterium der Gemeinde, zu dem auch die Person gehört, die in den Dienst der öffentlichen Wortverkündigung berufen und darum mit der Durchführung der Mahlfeier beauftragt ist. Zur Abendmahlsfeier nach reformiertem Ritus gehört unabdingbar, dass das Abendmahl »unter beiderlei Gestalt« von den Teilnehmenden empfangen wird; dass die Mahlfeier von einem Abendmahlsgebet und einem Dankgebet gerahmt wird; dass die Einsetzungsworte Christi gesprochen werden, in der Regel nach 1Kor 11,23-26.

In den Formen B1 und B2 kann stattdessen auch der von Martin Luther in seiner Deutschen Messe aus den vier biblischen Textfassungen gebildete »Mischtext« verwendet werden: Unser Herr Jesus Christus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, dankte und brach’s und gab’s seinen Jüngern und sprach: Nehmet hin und esset, das ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Solches tut zu meinem Gedächtnis.

Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Abendmahl, dankte und gab ihnen den und sprach: Nehmet hin und trinket alle daraus, dieser Kelch ist das Neue Testament / der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Solches tut, sooft ihr’s trinket, zu meinem Gedächtnis. Die reformierte Tradition hielt es für unabdingbar, dass das Brot so gebrochen wird, wie Jesus es seinen Jüngern gebrochen hat. Die neutestamentlichen Berichte über die Einsetzung des Abendmahls wurden als »Formvorschrift« für die rechte Gestaltung der Mahlfeier verstanden.

Man hat das Brechen des Brotes oftmals als »Konsekration« verstanden und vom 18. Jahrhundert an auch so genannt. Hinsichtlich des Brechens des Brotes kann man jedoch auch die Auffassung vertreten, dass die Mahlfeier der Gemeinde nicht eine »Wiederholung« des Letzten Mahls Jesu mit seinen Jüngern sei, sondern dass Jesus selbst als der Gastgeber in der Mahlfeier der örtlichen Gemeinde das Mahl mit seiner ganzen Gemeinde fortsetzt. Im recht verstandenen Sinne »ist« das bei der heutigen Mahlfeier ausgeteilte Brot das Brot, das Jesus damals seinen Jüngern brach, und der Kelch »ist« der Becher, über dem Jesus selbst den Segensspruch gesprochen hat.

Wir fangen nicht stets von neuem mit der Feier des Abendmahls an, sondern treten ein in die Tischgemeinschaft Jesu mit seiner Gemeinde zu allen Zeiten und an allen Orten. So kommt das Brot schon als gebrochenes zu uns und der Kelch als bereits gesegneter Kelch; wir nehmen sie beide in Empfang, gebrauchen sie und reichen sie weiter an die, die nach uns in die Mahlgemeinschaft Jesu eintreten werden. Die das Mahl feiernde Gemeinde, die wir mit Augen sehen, ist gleichsam nur der für uns jetzt sichtbare Ausschnitt der einen Mahlgemeinde Jesu Christi, die alle Zeiten und Räume umfasst. Die Gemeinschaft der Kirche Christi erstreckt sich auch in die Tiefe der Zeit. So betrachtet legt es sich nahe, das nochmalige Brechen des Brotes zu unterlassen.

Nach reformierter Tradition wurde das bei der Mahlfeier übrig gebliebene Brot ebenso wie der restliche Wein den Kranken und den Armen der Gemeinde gegeben. Das mahnt uns auch heute zu einem angemessenen Umgang mit den übrig gebliebenen »Abendmahlselementen «. Die Reformierte Liturgie bietet vier unterschiedliche Formen der Mahlfeier an. Form A 1 enthält eine ausgeführte Abendmahlsbesinnung, die den vorgelegten Texten folgen oder frei formuliert sein kann. Darin wird die Bedeutung der Mahlfeier ausgesagt. Wenn in der Predigt die Bedeutung des Abendmahls erläutert wurde, kann diese Abendmahlsbesinnung entfallen.

Das erste Abendmahlsgebet führt zum Mahl hin. Es ist mit dem »Eucharistiegebet « anderer Gottesdienstformen verwandt. In ihm wird der Dank für Gottes Schöpfung und seine Treue im Bund mit der Darlegung des Heilswirkens Christi und der Bitte um den Heiligen Geist und die Hoffnung auf die endliche Vollendung verbunden. In den reformierten Gemeinden der Lippischen Landeskirche ist es vielfach üblich, vor den Einsetzungsworten ein Sündenbekenntnis mit Zuspruch der Vergebung und Verheißung einzufügen (Form A 2<)/p>

Das Dankgebet nach der Abendmahlsfeier ist als Lobpreis-Gebet gestaltet. Oft werden Worte aus Ps 103 verwendet. Mit dem Element der Rühmung entspricht dieses Gebet der Präfation anderer Abendmahlsformen. Es erinnert zugleich an die Passa-Liturgie, an deren Ende Ps 113-118 gebetet wurden.

In Form B 1 – sie ist die evangelische Fassung der Messform – folgt auf das Dankopfergebet eine Präfation (Lobgebet) als Eröffnung des großen Lobpreises, der im Abendmahlsgebet fortgeführt wird. Am Beginn der Präfation steht ein dreifacher Dialog, der den Danksagungscharakter des Gebets hervorhebt. Das Gebet selbst besitzt einen festgeprägten Eingangs- und Schlussteil und ein nach Kirchenjahr und Anlass wechselndes Mittelstück, das sich auf die einzelnen Elemente des Heilshandelns Christi bezieht. Der Lobpreis wird von der Gemeinde mit dem Sanctus, dem »Dreimal Heilig« beschlossen. Das Sanctus stammt ebenso wie der Anfang der Präfation aus dem jüdischen Morgengebet.

Das Abendmahlsgebet (Eucharistiegebet) führt die Tradition des »Hochgebets« der Messe in evangelischer Gestalt fort. Seine trinitarische Struktur wurde zu Form A bereits beschrieben. Nach alter kirchlicher Tradition folgen an dieser Stelle das Gebet des Herrn und der Friedensgruß sowie das Agnus Dei. Die Austeilung des Abendmahls erfolgt mit einem Spendewort. Die Feier schließt mit einer kurzen Danksagung oder einem Dankpsalm.

Form B 2 bringt nach Präfation und Sanctus das Abendmahlsgebet (Eucharistiegebet), Gebet des Herrn, die Einsetzungsworte, das Agnus Dei, die Kommunion und eine kurze Danksagung. Sie entspricht mit dieser Gestaltung am ehesten der Abendmahlsfeier, wie sie in den unierten Kirchen zu finden ist, die sich an der Gottesdienstgrundform der Messe orientieren.

Mancherorts ist es in der jüngeren Vergangenheit üblich geworden, dass die um den Tisch versammelte Abendmahlsgemeinde sich nach der Mahlfeier an den Händen fasst und ggf. einen Text gemeinsam spricht oder eine Strophe singt. Dadurch soll die Gemeinschaft miteinander zum Ausdruck gebracht werden. Andere stellen hier die Rückfrage, ob die Gemeinschaft des Abendmahls, die in der Tat auch eine Gemeinschaft miteinander ist, nicht eher durch das gemeinsame Essen und Trinken als durch einen solchen begleitenden Ritus zum Ausdruck gebracht wird. Dann muss allerdings die Abendmahlsform so gestaltet sein, dass das Essen des Brotes und das Trinken aus dem Becher wirklich als ein gemeinsames Essen und Trinken erlebt werden kann, z.B. durch gemeinsames Sitzen am Abendmahlstisch, wie es im Wirkungskreis a Lascos üblich war.


aus: Reformierte Liturgie (1999), Seiten 339-342

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