Einen Tipp für die Gemeindeleitung verrät mein Mann: Anstatt zu klagen, dass man mit anderen Leuten im Kirchenrat eine viel bessere Gemeindearbeit machen könnte, gelte es, die Potenziale der Ehrenamtlichen zu entwickeln. »Du muss mit den Pferden pflügen, die du hast«, bemerke ich spontispruchmäßig. Eine weitere Erkenntnis der Fachleute des geistlichen Leitens lautet: Es gibt drei Typen von Leitungspersonen:
a) die kommunikativ kontaktfreudigen Menschen, die mit allen gut auskommen, einfach sympathisch sind und intuitiv spüren, was gerade angesagt ist;
b) die Autorität ausstrahlenden Menschen, schnell im Denken, imponierend in ihrer Spontaneität und dem Sinn fürs Praktische und Machbare,
c) die Menschen, die etwas Abstand brauchen, Zeit zur Reflexion, aber überzeugend sind mit ihrem Blick auf die Zukunft und dem systematischen Erfassen des Problems.
Gibt's ein Problem in der Kirchengemeinde, zeigen die Leitungscharaktere ihre Kehrseiten. Typ a) wird defensiv und handelt wie der Mainstream es verlangt, Typ b) reagiert aggressiv und überfällt die anderen mit seinem Handeln, Typ c) bedenkt pedantisch jede Eventualität und kommt vor lauter Reflexion zu keiner Entscheidung. Ein Hauch von Schamröte huscht mir übers Gesicht beim Gedanken daran, wie ich in Krisen handeln würde. Aber ich leite ja weder eine Gruppe noch eine Gemeinde. Und ist Selbsterkenntnis nicht der erste Schritt zur Besserung?
Die Empfehlung der Leitungsfachleute klingt einfach: Im Presbyterium, alias Kirchenrat, sollten am besten alle drei Typen zusammenarbeiten.
Doch der Rat hat einen Haken: Die Fähigkeit zur Kooperation ist genau das, was wir im 21. Jahrhundert zunehmend einbüßen, so Sennett. Die soziologische Analyse überrascht. Wie naiv war ich, zu denken, dass dank Internet, schnellen Mails und vielen Kontakten via Social Media das Zusammenwirken der Menschen intensiver und leichter möglich sei als früher. Aber: Die schnelle online Kommunikation bestimmt nicht allein die Kooperation am Arbeitsplatz. Dort kommandieren befristete Arbeitsverträge, Projektgruppen, die nur neun Monate zusammenarbeiten, häufiger Stellenwechsel. Wie sollen sich da intensive Bindungen zu KollegInnen und zu ArbeitgeberInnen entwickeln? Dazu kommt: Bereits Schulkinder spüren die Distanz, die ökonomische Unterschiede zwischen den Familien schaffen. So entwickeln sich Menschen zu EinzelkämperInnen anstatt kooperatives Arbeiten zu erlernen.
Zusammenarbeit heißt die Herausforderung unserer Tage. Auch dafür gibt es Ratschläge. Einer sei genannt: Die Leute, mit denen wir kooperieren, müssen uns nicht sympathisch sein. Ausdrücklich warnt Sennett davor zu meinen, sich in andere einfühlen und sie verstehen zu müssen. Aufmerksam sollen wir sein im Umgang miteinander, ja, aber nicht im Sinne eines Einfühlens, sondern eher im Sinne einer Neugier, die erfahren will, was die Anderen denken und wie sie handeln. Auf eine Formel gebracht: Neugier ist besser als Sympathie, Begegnung besser als Umarmung. Sennett sagt: Wir verstünden oft nicht, »was in den Herzen und Köpfen der Menschen vorgeht«, aber unser »mangelhaftes wechselseitiges Verständnis« sollte uns nicht davon abhalten, »uns auf andere Menschen einzulassen«.
Ich fühle mich ertappt: Ja, bei dem, was ich aus ehrenamtlichem Engagement achte ich darauf, mit Menschen zusammen zu sein, die mir sympathisch sind. In meiner Freizeit will ich nun wirklich keinen zusätzlichen Stress. Was geht mit dieser Vermeidungsstrategie verloren?!
Nachtrag:
Das Thema »Wie arbeiten?« hat für mich noch einen anderen Aspekt. Auch ich gehöre zu denjenigen, die sich mit Teilzeitverträgen durchs Arbeitsleben hangeln. Das heißt konkret: Ab Mitte Februar werde ich zusätzlich zur halben Stelle als Redakteurin für einige Monate noch einen weiteren Halbtagsjob übernehmen. Für reformiert-info bedeutet das vorübergehend das Aus meines ehrenamtlichen Anteils an der Redaktionsarbeit, mit anderen Worten: Das Notat to go wird voraussichtlich nicht mehr regelmäßig jeden Mittwoch erscheinen. Jetzt haben andere KolumnistInnen die Chance das Wort zu ergreifen.
Literatur
Peter Böhlemann, Michael Herbst, Geistlich Leiten. ein Handbuch, Göttingen 2011.
Richard Sennett, Zusammenarbeit. was unsere Gesellschaft zusammenhält, München 2012.
Barbara Schenck, 12. Februar 2014