Psalm 36
„Beim Verständnis der wesentlichen Aussagen des Psalms wird man von Vers 12 ausgehen müssen. Der Psalmist ist bedroht; der Böse bedrängt und verfolgt ihn. In dieser Situation stellt der Psalmsänger die Lebensweise der Bösen und die Segensfülle der Gottesgegenwart bzw. Gottesgemeinschaft gegenüber. In Schilderungen, die von Klagemotiven getragen sind, wird die Existenz der Gottlosen dargestellt; in hymnischen Verherrlichungen wird die Heilsfülle der Stätte, an der Gott gegenwärtig ist, gepriesen. Größer als alles unheimliche und unheilvolle Treiben der Bösen ist Gottes welterfüllendes, huldvolles Wirken. Darum kann der Psalm auch mit Aussagen der Gewissheit schließen (Vers 3). Vom Ort der Gottesgegenwart geht die Macht eines huldvollen und gerechten Waltens aus. Zu diesem Ort kommen die Rechtlosen und Hilflosen. Sie finden hier die Fülle des Heils, die Quelle des Lebens und den Herrn aller Welt.“ (H.J. Kraus)
Von der schönen Bereimung von Matthias Jorissen ist in letzter Zeit nur die 2. und 3. Strophe gesungen worden; die 1. Strophe war sprachlich veraltet und daher missverständlich. Bei der Neuausgabe des Psalters wurde versucht, die 1. Strophe sprachlich etwas zu modernisieren. Vielleicht hat dies zur Folge, dass nun wieder der ganze Psalm gesungen werden kann. Seine Melodie ist sehr bekannt. Der schöne Psalm kann an jeder Stelle im Gottesdienst Verwendung finden.
1. Der Böse redet stolz sich ein, / dass Gottesfurcht sei Wahn und Schein, / dass Gott darauf nicht achtet. / Dann rühmt er, dann gefällt er sich, / wenn er geheim und öffentlich / nach Freveltaten trachtet. / Sein Denken ist Vermessenheit, / sein Wort und Tat Gottlosigkeit, / und nimmer sinnt er Gutes. / Des Nachts erdenkt er seinen Plan, / schafft sich am Tage freie Bahn, / wirkt Unheil frohen Mutes.
2. HERR, deine Güt und Wahrheit steht, / so hoch und weit der Himmel geht, / dein Recht steht ohne Wanken. / Ist dein Gericht ein Abgrund mir, / so müssen Mensch und Vieh doch dir / für deine Hilfe danken. / Wie teur ist deine Güte! Du, / du gibst den Menschenkindern Ruh / in deiner Flügel Schatten, / wo du aus Freudenströmen tränkst, / die Güter deines Hauses schenkst / und hoch erquickst die Matten.
3. Bei dir fließt unser Lebensquell, / in deinem Lichte sehn wir hell, / wir können sonst nicht sehen. / Lass über deiner Kinder Schar / dein Recht und Gnade immerdar / als Schild und Sonne stehen. / Kein stolzer Fuß zertrete mich, / nie rühm die Hand des Frevlers sich, / dass sie mich stoß darnieder. / Die Bösen stürzt ihr böser Sinn, / seht, die Verbrecher sinken hin / und kehren nimmer wieder.
Melodie: 1543 / Genf 1551 / Text: nach Matthias Jorissen 1793
Psalm der Woche, Alfred Rauhaus / Audio: Dick Sanderman