Psalm 73
„In einer hilflosen Vereinzelung und letzten Einsamkeit ringt ein Mensch um die Gewissheit der Gemeinschaft mit Gott. Gehöre ich zu Gott? Gibt Gott mir Antwort auf meinen Gehorsam und mein Vertrauen? Das ist die entscheidende Frage, die ungestüm durch den ganzen Psalm hindurchwogt. Die ganze sichtbare Welt ist ein einziger Widerspruch gegen den gerechten Gott. Doch der Psalmist stimmt nicht in den Chor der leichtfertigen Verächter ein (V. 11.15). Er nimmt Zuflucht zur Stätte der Gottesgegenwart (V. 28) - zum Heiligtum (V. 17). Hier wird ihm die alles umstürzende letzte Wahrheit Gottes enthüllt: die hochmütigen Gottesverächter fallen ins Verderben, ich aber gehöre zu meinem Gott; und auch wenn Leib und Seele verschmachten, bin ich aufs Tiefste mit Gott verbunden.“ (H.J. Kraus)
Die Bereimung des Psalms stammt von Matthias Jorissen und ist nur leicht überarbeitet worden. Sie wird selten gesungen, obwohl die Melodie nicht schwer zu singen und schön gestaltet ist. Der Psalm kann im Gottesdienst oder bei anderer Gelegenheit verwendet werden, wenn die Frage der „Gerechtigkeit Gottes“ angesprochen ist.
1. Ja, Israel hat dennoch Gott / zum Trost in aller seiner Not. / O, Gott ist gut den reinen Herzen, / ein Licht in Nacht, ein Trost in Schmerzen, / und doch war ich geglitten fast, / gestrauchelt unter meiner Last, / dass ich mich schon dem Falle nah / und meinen Glauben wanken sah.
2. Ich war empört und sah mit Neid / der Stolzen Pracht und Herrlichkeit, / die immerfort in Sünden leben / und immer höher sich erheben. / Nichts hemmet ihren freien Lauf, / selbst Gottes Wort hält sie nicht auf. / Sie tun, was ihnen dünket recht, / und ihre Kraft bleibt ungeschwächt.
3. Es spricht ihr Mund in hohem Ton, / als käm’s herab vom Himmelsthron. / Was ihre Zunge sagt auf Erden, / soll gelten und befolget werden. / Und selbst mein Volk, das Gott verehrt, / läuft ihnen nach und wird betört, / kehrt sich von Gott und sucht Genuss / in der Gottlosen Überfluss.
4. Wie groß ist der Versuchung Macht! / Fast hätt ich auch wie sie gedacht / und so verurteilt und betrübet, / die Gott als seine Kinder liebet. / So sann ich nach und suchte Licht, / ich suchte, aber fand es nicht, / der Zweifel warf mich hin und her, / das Rätsel blieb, es war zu schwer.
5. Doch als ins Heiligtum ich trat / und Gott im Licht und Klarheit bat, / da sah ich staunend, dass sich wendet / der Frevler Glück und plötzlich endet. / Denn ihre Herrlichkeit ist Schaum / und geht vorüber wie ein Traum. / Sind sie gleich Götzen, du, o Gott, / machst sie bald zu der Leute Spott.
6. HERR, nun häng ich an dir allein, / ja, ich will immer bei dir sein. / Du lässest meinen Fuß nie gleiten, / greifst meine Rechte, mich zu leiten, / nach deinem, nicht nach meinem Rat. / Du kommst und nimmst früh oder spat, / bin ich bewährt durch Kreuz und Leid, / mich auf in deine Herrlichkeit.
7. Wie gäb der ganze Himmel mir / Befriedigung, HERR, außer dir? / Kann ich durch alles Gut auf Erden / auch ohne dich gesättigt werden? / Verschmachtet Leib und Seel in mir, / so hab ich Speis und Trank an dir. / Gott, meines Herzens Trost und Teil, / du bist in Ewigkeit mein Heil.
8. Weh dem, der dir die Treue bricht! / Seht, er entgeht nicht dem Gericht, / der einst versprach, nur dir zu leben, / und hat den Götzen sich ergeben. / Gott nah zu bleiben allezeit / ist meine hohe Seligkeit. / Vertrau ich dir, so kann ich ruhn. / O HERR, einst preis ich all dein Tun! /
Melodie: Genf 1551 / Text: nach Matthias Jorissen 1793
Psalm der Woche, Alfred Rauhaus / Audio: Dick Sanderman