Von der Ehescheidung

20. Sonntag nach Trinitatis (Mk 10,2-15)


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Nach Christus' Worten müsse die Ordnung der Schöpfung als Gesetz gelten: Ein Mann habe seiner Ehefrau das ganze Leben Treue zu halten. Die Ehescheidungen aber seien gestattet.

Markus 10,2-15

2 Und es traten Pharisäer zu ihm und fragten ihn, ob ein Mann sich scheiden dürfe von seiner Frau, und versuchten ihn damit. 3 Er antwortete aber und sprach: Was hat euch Mose geboten? 4 Sie sprachen: Mose hat zugelassen, einen Scheidebrief zu schreiben und sich zu scheiden. 5 Jesus aber sprach zu ihnen: Um eures Herzens Härtigkeit willen hat er euch dieses Gebot geschrieben; 6 aber von Anbeginn der Schöpfung hat Gott sie geschaffen als Mann und Weib. 7 Darum wird der Mensch seinen Vater und Mutter verlassen und wird seinem Weibe anhangen, 8 und werden die zwei ein Fleisch sein. So sind sie nun nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. 9 Was denn Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden. 10 Und daheim fragten ihn abermals seine Jünger danach. 11 Und er sprach zu ihnen: Wer sich scheidet von seiner Frau und freit eine andere, der begeht Ehebruch an ihr; 12 und so sich eine Frau scheidet von ihrem Manne und freit einen andern, sie begeht Ehebruch.

Die Pharisäer stellen Christus einen Hinterhalt und nähern sich ihm mit Arglist, um ihn in ihre Fänge zu bekommen; wir aber ziehen den Nutzen aus ihrer Bosheit. So weiß der Herr wunderbar zum Vorteil der Seinen zu wenden, was die Gottlosen zum Nachteil der wahren Lehre ersonnen haben. Denn bei dieser Gelegenheit wurde eine Frage gelöst, die sich aus der Erlaubnis der Ehescheidung ergeben hatte, und es entstand ein klares Gesetz über das heilige, unlösbare Band der Ehe.

Der Fallstrick bestand darin, daß man sich nach Meinung der Pharisäer bei beiden möglichen Antworten verhaßt machen mußte. Sie fragen, ob es dem Mann erlaubt sei, sich aus irgendeinem Grunde von seiner Frau zu scheiden. Verneinte Christus, konnten sie boshaft ausschreien, er schaffe das Gesetz ab; bejahte er aber, so konnten sie behaupten, er sei eher ein Kuppler als ein Prophet Gottes, da er die Männer in ihrer Leidenschaft gewähren lasse. So hatten sie es sich ausgedacht.

Doch der Sohn Gottes, der die Klugen in ihrer Arglist zu ertappen weiß, enttäuschte sie, indem er den unerlaubten Ehescheidungen entschieden entgegentrat und zugleich doch zeigte, daß er nichts gegen das Gesetz lehrte. In zwei Hauptgedanken faßt er das ganze Thema zusammen: Die Ordnung der Schöpfung müsse als Gesetz gelten; nach ihr hat ein Mann seiner Ehefrau das ganze Leben Treue zu halten. Die Ehescheidungen aber seien gestattet, nicht weil sie etwa erlaubt wären, sondern weil man es mit einem starrköpfigen, unbelehrbaren Volk zu tun hatte.

Matth. 19, 4.

Habt ihr nicht gelesen?

Zwar antwortet Christus nicht direkt auf die Frage der Pharisäer; aber mit seiner Gegenfrage läßt er sie nicht im unklaren über seine Meinung. Es ist genauso, wie wenn einer heutzutage über die Messe befragt wird, dafür jedoch treulich das Geheimnis des heiligen Mahles auseinanderlegt und dann am Ende noch zufügt, jeder, der der reinen Einsetzung des Herrn etwas zuzufügen oder abzustreichen wagte, sei ein Schänder und Verfälscher des Glaubens; damit legt er unmißverständlich dar, daß das Opfer der Messe erlogen ist.

Christus geht von dem Grundsatz aus: Von Anfang an hat Gott den Mann mit der Frau verbunden, so daß erst die zwei den ganzen Menschen ausmachen. Wer sich also von seiner Frau scheide, schneide gewissermaßen eine Hälfte von sich ab. Es geht aber völlig gegen die Natur, daß einer seinen Körper selbst zerreißt. Der zweite von Christus herangezogene Beweis schließt vom Kleineren auf das Größere: Das Band der Ehe ist heiliger als das, was Kinder mit ihren Eltern verbindet.

Wenn nun schon die Ehrerbietung die Kinder ihren Eltern ohne Ende verpflichtet, wieviel weniger kann dann erst ein Mann seine Frau verlassen! Es wird also ein göttliches Band zerrissen, wenn sich ein Mann von seiner Frau scheiden läßt. Christus will mit seinen Worten sagen: Gott hat als Schöpfer des Menschengeschlechtes einen Mann und eine Frau gemacht, damit jeder mit einer einzigen Frau zufrieden sei und nicht noch nach anderen Ausschau halte. Denn auf der Zweizahl besteht er, und er führt die gleiche Begründung an, wie der Prophet Maleachi (vgl. 2, 14-16), als er gegen die Vielweiberei vorgeht: Gott, dessen Geist einfallsreich genug gewesen wäre, auch mehrere zu schaffen, wenn er gewollt hätte, hat doch nur einen Menschen geschaffen, in der Form nämlich, wie Christus ihn hier beschreibt.

Aus der Ordnung der Schöpfung wird also bewiesen, daß die Gemeinschaft des einen Mannes mit der einen Frau untrennbar ist. Will einer einwenden, es sei dann auch nicht erlaubt, nach dem Tod der ersten Frau eine andere zu heiraten, so läßt sich darauf leicht antworten: Durch den Tod wird nicht nur das Band gelöst, sondern die zweite Gattin wird von Gott an die Stelle der ersten gesetzt, als ob die beiden eine und die gleiche wären.

Matth. 19, 5.

Darum wird ein Mensch Vater und Mutter verlassen.

Ob Mose hier ein Wort Adams oder Gottes anführt, läßt sich nicht entscheiden. Aber ganz gleich, wie man darüber denkt, es beeinflußt die vorliegende Stelle nicht; denn auch, wenn Adam gesprochen hätte, wäre damit nur der Wille Gottes ausgesagt. Im übrigen wird hier nicht einfach angeordnet, daß wer eine Frau nehme, seinen Vater verlassen müsse. Denn dann widerspräche Gott sich selbst, wenn er mit der Verehelichung die Ehrerbietung aufheben würde, die er selbst den Kindern ihren Eltern gegenüber befohlen hat.

Aber wenn die beiden Verpflichtungen miteinander verglichen werden sollen, bekommt die Ehefrau den Vorzug gegenüber Vater und Mutter. Bricht jemand jedoch die Verbindung mit dem Vater ab und schüttelt das Joch von sich, mit dem er ihm verbunden ist, so wird niemand solch unnatürliches Benehmen billigen. Also haben wir noch viel weniger das Recht, die Ehe zu lösen.

Und werden die zwei ein Fleisch sein.

Durch dieses Wort wird die Vielweiberei genauso verurteilt wie die bedenkenlose Scheidung der Ehe. Denn wenn die gegenseitige Verbindung zwischen zweien vom Herrn geheiligt wurde, so ist eine Gemeinschaft mit dreien oder vieren Ehebruch. Christus ändert den Gedanken jedoch etwas ab: er meint, daß der sich selbst zerstückelt, der sich von seiner Frau scheiden läßt, da die heilige Ehe die Kraft hat, daß Mann und Frau zu einem Menschen zusammenwachsen.

Christus wollte damit nicht gegen die unreinen, unflätigen Gedanken Platons angehen, sondern er legt voller Hochachtung die von Gott gesetzte Ordnung dar. Der Mann soll also so mit seiner Frau leben, daß einer den andern pflegt wie einen Teil seiner selbst. Der Mann soll so herrschen, daß er das Haupt der Frau, nicht aber ihr Tyrann ist; die Frau soll sich dagegen bescheiden und gehorsam unterordnen.

Matth. 19, 6.

Was nun Gott zusammengefügt hat“.

Mit diesem Satz zügelt Christus die Leidenschaft der Männer, daß sie nicht durch die Ehescheidung ein heiliges Band zerreißen. Wie er erklärt, daß es nicht im Belieben des Mannes liege, die Ehe aufzulösen, so gibt er auch allen andern die Regel, durch ihren Einfluß nicht noch unerlaubte Scheidungen zu unterstützen. Denn die Obrigkeit mißbraucht ihre Gewalt, wenn sie dem Mann bei seiner Scheidung auch noch behilflich ist.

Doch eigentlich will Christus besonders darauf hinaus, daß jeder für sich die gelobte Treue unverletzt bewahren soll. Wen dann seine Leidenschaft oder eine üble Lust zur Scheidung reizt, der möge sich überlegen: Wer bist du eigentlich, daß du dir die Freiheit nimmst, ein göttliches Band zu zerreißen? Übrigens kann man diese Lehre auch noch weiter ausziehen.

Die Papisten, die uns vormachen, die Kirche sei von Christus, ihrem Haupt, abgetrennt worden, hinterlassen uns einen leblosen Rumpf: beim heiligen Mahl wagten sie den Gebrauch des Kelches dem gesamten Volk zu entziehen, obwohl Christus Brot und Wein miteinander verbunden hat. Auch solchen teuflischen Verderbnissen darf man das Wort entgegenstellen: Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.

Matth. 19, 7.

Warum hat dann Mose geboten?

Diese verfängliche Frage hatten sich die Pharisäer bereits für den Fall zurechtgelegt, daß Christus, wie es ja auch nur wahrscheinlich war, eine rechtmäßige Begründung für die Ehescheidung fordern sollte. Es scheint ja erlaubt zu sein, was Gott in seinem Gesetz zuläßt; denn allein sein Wille entscheidet über Gut und Böse.

Aber durch seine treffende Antwort schlägt Christus ihre Gehässigkeit; er verweist darauf, daß Mose das nur ihres Starrsinns wegen zugelassen, nicht jedoch als erlaubt gebilligt habe. Seinen Ausspruch bekräftigt er mit der schlagenden Begründung (19, 8): „Von Anbeginn ist's nicht so gewesen“. Er stellt es als selbstverständlich hin, daß Gott am Anfang die Ehe einsetzte, um damit ein ewiges Gesetz aufzustellen, das bis zum Ende wirksam sein sollte.

Hat aber nun die Einrichtung der Ehe als unverletzbares Gesetz zu gelten, dann muß alles, was davon abweicht, nicht mit der wahren Natur der Ehe, sondern mit den Fehlern der Menschen zusammenhängen. Es fragt sich nur, ob Mose etwas erlauben durfte, was an sich böse und fehlerhaft war. Allerdings kann man noch lange nicht behaupten, daß Mose es erlaubt hat, wenn er es nicht ausdrücklich verbot. Denn er hat kein Gesetz über die Ehescheidung gegeben, um sie mit seiner Stimme noch zu unterstützen, sondern da die schlimme Art der Menschen nicht anders gezügelt werden konnte, hat er das Gegenmittel angewandt, das man noch am ehesten ertragen konnte, daß der Mann wenigstens ein Zeugnis über die Unbescholtenheit seiner Frau zu geben habe.

Das Gesetz war also nur zugunsten der Frauen gegeben worden, damit sie nach ihrer ungerechten Verstoßung nicht auch noch Schande erleiden müßten. Wir sehen also, daß das eher eine den Männern auferlegte Strafe als eine gesetzliche Erlaubnis war, die ihre Begierde nur entflammen mußte. Dazu kommt, daß staatliche und äußere Ordnung nicht mit geistlicher Herrschaft zu verwechseln ist.

Was erlaubt und recht ist, hat der Herr in den Zehn Geboten zusammengefaßt. Da nun vieles nicht vor ein menschliches Gericht gezogen werden kann, dessen den einzelnen sein Gewissen anklagt und überführt, ist es kein Wunder, wenn die staatlichen Gesetze in diesen Dingen ein Auge zudrücken. Nehmen wir ein bekanntes Beispiel: Die staatlichen Gesetze geben uns zu Rechtsstreitigkeiten einen weit größeren Raum als das Gebot der Liebe.

Warum das? Doch nur, weil dem einzelnen sein Recht nicht werden kann, wenn keine Möglichkeit da ist, es zu suchen. Auf der anderen Seite erklärt aber das uns innewohnende Gesetz Gottes, daß wir den Anweisungen der Liebe folgen sollen. Darum kann keine Behörde ihre Lässigkeit entschuldigen, wenn sie auf eigene Verantwortung die Laster durchgehen läßt oder sonst ihre Pflicht versäumt.

Die Privatleute mögen indessen zusehen, daß sie ihre Fehler nicht mit dem Mantel der Gesetze zudecken und ihre Schuld dadurch nur verdoppeln. Denn hier liegt ja ein versteckter Tadel des Herrn, daß es den Juden nicht genügt, daß Gott ihren Mutwillen ungestraft dahingehen läßt, nein, sie wollen Gott selbst noch für ihre Sünde verantwortlich machen. Wenn schon aus den politischen Gesetzen nicht immer und überall eine Regel für ein reines, frommes Leben zu gewinnen ist, wieviel weniger kann dann die Gewohnheit dazu dienen!

Matth. 19, 9.

Ich aber sage euch.

Markus (10, 10) berichtet, Christus habe das nur zu seinen Jüngern gesagt, als sie nach Hause gekommen wären. Matthäus erwähnt diesen Umstand nicht und führt die Rede Christi ohne Unterbrechung weiter. So lassen die Evangelisten oft ein Zwischenglied aus und begnügen sich damit, die Hauptsachen zu berichten. Der ganze Unterschied zwischen beiden besteht darin, daß der eine etwas genauer berichtet als der andere. Das Ganze will sagen: Obgleich das Gesetz die Ehescheidung nicht bestraft, die doch von der ursprünglichen Einrichtung Gottes abweicht, so ist doch jeder, der seine Frau verläßt und eine andere heiratet, ein Ehebrecher.

Denn es ist nicht in das Belieben des Menschen gestellt, das eheliche Gelübde zu brechen, das nach dem Willen des Herrn gültig bleiben soll. Und also ist jede eine Mätresse, die das rechtmäßige Bett der Ehefrau einnimmt. Eine Ausnahme wird angeführt: Ein Mann ist dann von seiner Frau frei, wenn sie Ehebruch treibt; denn dann hat sie sich selbst gewissermaßen als ein faules Glied von ihrem Mann abgetrennt. Wer noch andere Gründe ersinnen und klüger als der himmlische Meister sein will, ist mit Recht zurückzuweisen.

So sahen die Rabbinen den Aussatz als berechtigten Grund zur Scheidung an, weil die ansteckende Krankheit nicht nur auf den Mann, sondern auch auf die Kinder übergeht. Ich bin jedoch der Meinung, daß ein frommer Mann mit seiner aussätzigen Frau keinen ehelichen Umgang haben sollte; aber zu scheiden braucht er sich deswegen nicht von ihr. Wenn einer einwendet, daß die Männer, die ohne Frau nicht leben können, ein Heilmittel brauchen, um nicht in Leidenschaft zu entbrennen, so bin ich der Meinung, daß alles, was außerhalb des Wortes Gottes gesucht wird, kein Heilmittel ist. Außerdem wird solchen Leuten niemals die Kraft der Selbstbeherrschung fehlen, wenn sie sich nur der Führung des Herrn überlassen und seinen Anordnungen folgen.

Es gibt auch den Fall, daß jemanden ein Abscheu vor seiner Frau ergreift, daß er es nicht mehr übers Herz bringen kann, mit ihr zusammenzukommen; aber kann man etwa dieses Übel durch die Vielweiberei heilen? Die Frau eines andern mag gelähmt sein oder unter einer andern unheilbaren Krankheit leiden; darf der Mann sie dann etwa verlassen, weil er sich damit entschuldigen kann, daß er enthaltsam sein muß? Wir wissen, daß jeder, der auf den Wegen; des Geistes wandelt, seine Hilfe niemals entbehren muß. Paulus sagt, daß, um die Hurerei zu vermeiden, jeder seine eigene Frau haben soll (vgl. 1. Kor. 7, 2).

Wer also geheiratet hat, hat seine Pflicht getan, mag ihm auch nicht alles nach Wunsch gehen. Fehlt ihm etwas, so wird es ihm mit Gottes Hilfe schon wieder ersetzt werden. Darüber hinauszugehen bedeutet nichts anderes, als Gott zu versuchen. Wenn aber Paulus auch noch sagt (vgl. 1. Kor. 7, 12.15), ein frommer Bruder oder eine gläubige Schwester sei nicht gebunden, falls sie von dem ungläubigen Eheteil um des Glaubens willen zurückgestoßen werden, dann widerstreitet das Christi Standpunkt nicht.

Denn es handelt sich hier nicht um einen rechtmäßigen Grund zur Scheidung, sondern nur darum, ob eine Frau an einen ungläubigen Mann gebunden bleiben soll, der sie in frevlerischem Haß gegen Gott verstoßen hat und mit dem sie sich nur dann wieder versöhnen kann, wenn sie selbst Gott verleugnet. Darum ist es kein Wunder, wenn Paulus lieber mit einem sterblichen Menschen in Zwiespalt leben will, als sich von Gott selbst zu entfremden. Der Ausnahmefall, den Christus annimmt, scheint jedoch überflüssig zu sein.

Denn wenn eine Ehebrecherin die Todesstrafe verdiente (vgl. Lev. 20, 10), wozu dann noch über Ehescheidung reden? Da es aber die Sache des Mannes war, den Ehebruch seiner Frau vor Gericht zu verfolgen, um sein Haus von der Schande zu reinigen, so löst Christus den Mann, der seine Frau der Unkeuschheit überführt hat, vom Band der Ehe, mochte nun das Gerichtsurteil ausfallen, wie es wollte. Denn es kann sein, daß bei dem verderbten und entarteten Volk auch dieser Frevel sehr oft ungestraft blieb.

So wie heute die falsche Nachsicht der Obrigkeit zur Folge hat, daß Männer unreine Frauen verstoßen müssen, weil Ehebruch nicht geahndet wird. Bemerkenswert ist auch, daß beide Teile das gleiche Recht haben, so wie das eheliche Gelöbnis ja auf Gegenseitigkeit beruht. Denn während in andern Dingen der Mann das entscheidende Wort hat, so wird er, was die eheliche Gemeinschaft betrifft, der Frau gleichgestellt; denn er ist nicht der Herr seines Leibes. Darum ist auch der Frau ihre Freiheit zurückgegeben, wenn ein Mann durch Ehebruch die Ehe zerstört.

Und freit eine andere, der bricht die Ehe.

Dieser Satz wurde von vielen Auslegern sehr ungünstig ausgelegt. Allgemein und ganz verworren glaubte man, es werde hier die Ehelosigkeit für alle die Fälle verordnet, in denen eine Scheidung stattgefunden hat. So wäre etwa beiden Teilen Ehelosigkeit auferlegt, wenn ein Mann sich von einer Ehebrecherin löst. Als ob nun das die Freiheit durch die Scheidung wäre, daß man von seiner Frau getrennt schläft; als ob Christus nicht deutlich zugestanden hätte, in dieser Sache ginge es so zu, wie die Juden sich ganz allgemein angewöhnt hatten, nach ihrem Belieben zu verfahren.

Darum war das ein so schlimmer Irrtum. Denn wenn Christus jemanden des Ehebruchs verurteilt, der eine geschiedene Frau heiratet, so bezieht sich das ganz sicher nur auf unerlaubte, gottlose Scheidungen. Darum befiehlt auch Paulus den Leuten, die aus diesem Grunde wieder frei sind, unverheiratet zu bleiben oder sich mit ihren Männern wieder auszusöhnen, weil nämlich durch Zank und Zwiespalt eine Ehe noch nicht aufgehoben ist (vgl. 1. Kor. 7, 11).

Dasselbe ergibt sich auch aus Markus, wo ausdrücklich von der Frau, die sich von ihrem Mann scheidet, die Rede ist. Das bedeutet nicht, daß auch die Frauen die Freiheit hatten, den Männern einen Scheidebrief zu geben, es sei denn, die Juden waren in ihren äußeren Sitten so weit heruntergekommen. Markus wollte betonen, daß die Verderbnis, die damals allgemein um sich gegriffen hatte, vom Herrn gestraft werde. Beide Seiten gingen damals nämlich nach einer willkürlichen Scheidung in eine neue Ehe. Darum erwähnt Markus den Ehebruch als Scheidungsgrund überhaupt nicht.

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Aus: Otto Weber, Calvins Auslegung der Heiligen Schrift. Dreizehnter Band: Die Evangelien-Harmonie 2. Teil, Neukirchener Verlag, 1974, S. 121ff.


Johannes Calvin