Gewinn an Wissen - Verlust an Glauben: Die religiösen Kontroversen in der Frühen Neuzeit und die Moderne

Öffentlicher Vortrag von Prof. Dr. Friedrich Vollhardt, Ludwig-Maximilians-Universität München

18.10.2024, 19:00 Uhr

Die Frage nach den theologisch-politischen Grundlagen unseres Gemeinwesens hat durch die Anschläge am elften September des Jahres 2001 eine ungeahnte Aktualität erhalten − die Terrorangriffe stellen zweifellos eine Zäsur. Der Übergang in eine postsäkulare Gesellschaft erscheint inzwischen längst vollzogen, in der wir uns auf die Anliegen von Glaubensgemeinschaften in der Öffentlichkeit anders einzustellen haben, um auf die  Pluralisierung religiöser Überzeugungen, ihre Konkurrenz und ein daraus entstehendes Konfliktpotential reagieren zu können. Da es sich um komplexe Phänomene handelt, wird nach ersten Ursachen, grundsätzlichen Erklärungen und konsensfähigen Lösungen, also einfachen Antworten gesucht, die uns jedoch kaum weiterhelfen.

Hier gilt es, das kritische Geschäft der Aufklärung und ihr umstrittenes Erbe neu zu verstehen. Das 17. und 18. Jahrhundert bietet dafür reiches Anschauungsmaterial, auch was die in der Ankündigung des Vortrags erwähnten religiösen Kontroversen betrifft, die uns in die Moderne geführt haben. Zu erinnern ist an den berühmten Satz Voltaires, dass man Gott, wenn er nicht existierte, erfinden müsste: ohne Religion keine Bindungen in der Gesellschaft. Das ist nicht weit entfernt von einer Äußerung Gregor Gysis, der 2019 gegenüber dem Berliner Tagesspiegel bemerkte: Ich glaube zwar nicht an Gott, aber ich möchte auch keine gottlose Gesellschaft, ich fürchte sie sogar.

Für den Umgang mit der in die Öffentlichkeit zurückgekehrten religiösen Kommunikation haben sich dabei in den modernen westlichen Gesellschaften seit der Zeit Immanuel Kants eine Reihe von Geboten bewährt, etwa das der Neutralität und der wechselseitigen Toleranz, die das Individuum in Fragen seiner Weltorientierung allerdings nicht von der eigenen Entscheidung im Bewusstsein der Unsicherheit und Kontingenz entlasten: Religion ist (und bleibt) eine Privatangelegenheit.

Eine Veranstaltung im Rahmen der Tagung: Die intellektuellen Linien von den Sozinianern bis Kant

Johannes a Lasco Bibliothek, Kirchstraße 22, 26721 Emden
Beginn 19:00 Uhr
Eintritt frei.