Ewa Emery
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'Unflat papistischer Abgötterei'
In der Johannes a Lasco Bibliothek findet bis Sonnabend eine Tagung „Konfession und Kunst“ statt
Hatte die reformierte Konfession in der frühen Neuzeit Auswirkungen auf die Kunst? Und auch umgekehrt. Hatte die Kunst Auswirkungen auf die Konfession?
Diese Fragen stellt sich eine Tagung, die noch bis zum Sonnabend (8. Oktober) in der Johannes a Lasco Bibliothek stattfindet. Was sich so abstrakt anhört, dem gehen die Wissenschaftler durchaus mit sehr konkreten Darstellungen, vor allem mit vielen Bildern, nach.
Am ersten Tag ging es um Bildersturm, um Beispiele für andere Formen des Umgangs mit dem bildlichen Erbe, und es ging um Emden und die spezifische Situation zu Zeiten der Migration aus den Niederlanden. Jedem Referat schloss sich eine lebhafte Diskussion an.
Einladung in die Bibliothek zu „Konfession und Kunst“
Der „Lehre der Bedeutung von Zeichen“, der Semantik des Raumes reformierter Kirchen, ging Privatdozentin Dr. Esther Meier nach, indem die fragte, was denn mit jenen Bildern in den ursprünglich katholischen Kirchen geschah, die sich nicht so einfach entfernen ließen. Dazu zählte Frau Meier Grabmäler, Schlusssteine, Konsolköpfe, Glasfenster, bildliche Programme an Kanzeln und Altären. Dabei wurde deutlich, dass der Umgang mit solcher Kunst sehr unterschiedlich gehandhabt wurde. So habe zum Beispiel eine Rolle gespielt, welches Verhältnis die Gemeinde zu bestimmten Objekten entwickelte, ob etwa eine sozial gesetzte Zugehörigkeit zu einer Gruppe zu vermerken war – Zunftzeichen etwa oder Herrscherwappen.
Die Kanzel als zentrales Element der reformierten Kirche bezeichnete sie als „Sprechort“, der nicht allein der Verkündigung zuzuordnen sei, sondern ebenso als Lehr-Ort, als Ort, von dem aus der Prediger den Gesang der Gemeinde leitete, der aber auch als Erinnerungsort fungierte – etwa, wenn Bestattungen direkt unterhalb des Predigt-Stuhls erfolgt waren. Auch räumte Esther Meier mit der Vorstellung auf, dass der Abendmahlstisch ein typisch reformiertes Möbel sei. Den könne man ebenso in lutherischen Kirche finden.
Professor Dr. Jens Niebaum, Direktor des Instituts für Kunstgeschichte an der Universität Münster, schilderte die unterschiedlichen Reaktionen nach dem Höhepunkt des Bildersturms, der den Veitsdom in Prag 1619 traf. Die Ausstattung des Berliner Doms beispielsweise blieb beim Wechsel von der katholischen zur lutherischen Konfession nahezu unbeschadet. Erst mit dem zweiten Bildersturm beim neuerlichen Konfessionswechsels wurden sämtliche Bildwerke des 17. Jahrhunderts entsorgt. Das hieß in der Diktion eines Theologen der Zeit: die Reinigung der Kirche vom „Unflat der papistischen Abgötterei“. In der Sint Janskerk zu Gouda dagegen blieb die üppige Verglasung nicht nur erhalten, sondern wurde trotz eines Wechsels der Konfession sogar erweitert.
In manchen Städten wurde bei Neubauten höchst unterschiedlich verfahren. So in Erlangen. Da gab es eine Hugenottenkirche ohne jegliche Ausstattung. Dann wurde eine zweite Kirche gebaut, die so reich ausgestattet wurde, dass sie als „Antithese“ zum bildlosen Hugenotten-Bau gelten könne, sagte Niebaum.
Gespannte Aufmerksamkeit: am Pult steht Professorin Dr. Reingard Esser aus Groningen
Anhand der prunkvoll ausgestatteten Kapelle des Schlosses Charlottenburg zeigte Niebaum auf, dass mit dem neuen Rang eines Herrscher auch das Bedürfnis wuchs, sich den Herrscherhäusern Europas anzupassen. Da sei es dann nicht mehr um die Konfession, sondern um die politische Konstellationen gegangen.
In einem Co-Referat sprachen Dr. Klaas-Dieter Voß (JaLB) und Dr. Annette Kanzenbach (Ostfriesisches Landesmuseum) über „Ästhetische Kulturen“ in Emden. Während der Migrationsbewegungen der Frühen Neuzeit, die die Bevölkerung Emdens um das Fünf- oder Siebenfache anschwellen ließ, gewann die Stadt ihren niederländisch-flämischen Charakter – etwa in der Baukunst. Dass aber auch im protestantischen Emden durchaus nicht alles an ästhetischer Kultur der vorreformatorischen Zeit entsorgt wurde, dafür fand Klaas-Dieter Voß Beispiele – etwa bei Abendmahlskelchen, die in den Gemeinden weiterhin genutzt wurden., während die reformierte Ausstattung eher profan aus Glas und Zinn gewesen sei. Auch erläuterte der Referent die Neidköpfe an den Häusern „strammer Calvinisten“, die in Emden nur um 1550 vorkommen und ausführlich moralische Sinnsprüche enthalten.
Annette Kanzenbach ging dabei auf die Gerechtigkeitsdarstellungen ein, die das Renaissance-Rathaus schmückten. Dabei stellte sie das Gemälde von Johannes Verhagen „Moses schlägt Wasser aus dem Felsen“, das gerade erst restauriert wurde, in den Mittelpunkt. In der nachfolgenden Diskussion ging es unter anderem um den typologischen Charakter des Bildes: Christus ist der Fels, der sich um die Bedürfnisse der ausziehenden Israeliten kümmert, um sie zu erhalten. Damit stellte sich den Tagungsteilnehmern zugleich die Frage nach dem Status der Fremden – suchen sie eine neue Heimat oder ein Exil? Annette Kanzenbach machte deutlich, dass die niederländischen Flüchtlinge sich integriert hätten und ihnen Emden somit Heimat geworden sei.
Ina Wagner